Kurz nach Mitternacht checken wir am Flughafen von Dubai ein, wir haben einen Nachtflug nach Singapur. Heute fliegen wir zum ersten Mal mit dem Airbus A380. In dieser riesigen Maschine haben wir etwas mehr Platz als im letzten Flieger, sowohl was die Beinfreiheit als auch die Sitzbreite angeht. Das Glück ist auf unserer Seite, der Flieger ist nicht einmal halb voll und wir haben eine komplette mittlere 4er-Sitzreihe für uns. Auf den mittleren beiden Sitzen liegt Darian und schläft, während wir von links und rechts aufpassen, dass er nicht aus Versehen vom Sitz fällt.

Changi, der Flughafen von Singapur, erscheint im Vergleich zu Dubai aus dem vorletzten Jahrhundert zu sein, er erinnert uns stark an den alten Flughafen Don Muaeng in Bangkok, den zumindest ich noch aus der Zeit kenne, bevor er vom modernen Suvarnabhumi-Airport abgelöst wurde. Unser Visum bekommen wir schnell, auch das Gepäck wartet schon auf uns. Wir nehmen uns ein Taxi in die Innenstadt, auf halber Strecke zu unserem Hostel im Stadtteil Little India beginnt ein richtig ordentlicher Tropenregen. Die 5 Schritte vom Taxi zum Eingang des kleinen Gebäudes genügen, um völlig durchnässt im Mori Hostel einzuchecken und unser Zimmer zu beziehen.

Treue Leser erinnern sich bestimmt an die Beschreibung unseres Zimmers im Marco Polo Hotel in Dubai und dass dieses vermutlich das obere Ende unserer Hotelskala für die gesamte Weltreise definieren würde. Fast alles, was wir in Dubai hatten, gibt es im Mori Hostel in Singapur nicht. Ein Bett haben wir, das stimmt. Sogar die Matratze ist gut, das ist nicht selbstverständlich. Und einen kleinen Flatscreen-TV an der Wand. Bad und Dusche sind direkt nebenan, wir teilen beides mit den anderen Gästen des kleinen Hostels. Sowohl Zimmer als auch Bad sind sauber, es gibt nichts zu meckern. Das war’s aber auch schon.

Für den gleichen Preis wie in Dubai bekommen wir in Singapur dieses mickrige Zimmer mit nicht einmal 8 Quadratmetern, keinerlei Ablagefläche, super-ungemütlicher Deckenbeleuchtung und ranzigem Ambiente? Nicht einmal ein eigenes Badezimmer? Welcome to Singapore! So ist das in dieser Stadt, die zwar in Südostasien liegt aber doch so gänzlich anders ist als Großstädte wie Bangkok, Kuala Lumpur oder Yogyakarta, die wir alle gut kennen. Marsi hat wirklich viel recherchiert und wir waren uns sicher, dass wir mit diesem Hostel eine gute Wahl getroffen hatten. Leider werden wir enttäuscht. Gute Hotels gibt es in Singapur natürlich genügend, zu gerne hätten wir wenigstens ein Mal im Marina Bay Sands Hotel übernachtet und einen Cocktail auf dem berühmten Dach getrunken, doch 400 Euro pro Nacht und mehr können wir uns einfach nicht leisten.

Da es immer noch regnet, legen wir uns erst mal hin, es ist schon 18 Uhr und fast dunkel. Sicherheitshalber stellen wir den Wecker auf eine Stunde später, überhören ihn gekonnt und stehen erst um 20 Uhr wieder auf. Blitzschnell sind wir hellwach, als Marsi fragt: „Sag mal, wo ist denn eigentlich unser Kinderwagen?“ Wir zählen unsere überschaubare Anzahl von Gepäckstücken durch und uns wird klar, dass wir unseren geliebten Buggy im Taxi vergessen haben. Vor lauter Regen, nass und schnell aussteigen haben wir nicht mehr daran gedacht, ihn vom Rücksitz mitzunehmen. So sehr wie wir uns in den nächsten Minuten über uns selbst ärgern, werden wir uns – hoffentlich – während der ganzen restlichen Reise nicht mehr ärgern müssen.

Ich eile zur Rezeption, die zum Glück noch besetzt ist und hoffe auf Hilfe von der Rezeptionistin. Sie fragt mich, welche Taxigesellschaft wir denn benutzt hätten, was wir uns natürlich genauso wenig gemerkt haben wie das Nummernschild und den Namen des netten Fahrers. Ganz dunkel glauben wir uns daran zu erinnern, dass das Taxi weiß und blau war, damit weiß die junge Dame zumindest, bei welcher Gesellschaft sie ihr Glück am Telefon versuchen kann.

Viel Hoffnung, unseren Buggy wiederzusehen, haben wir nicht, als wir Darian in unsere Rucksacktrage packen und eine Viertelstunde lang durch das schwülheiße Little India zum nächsten Einkaufszentrum laufen. Wir bestellen uns beim Chinesen ein Abendessen, das wir lustlos und immer noch verärgert verspeisen. Immerhin Darian schmeckt es gut, er unternimmt ein paar Laufversuche durch die sich leerende Mall und unterhält die Angestellten, die ihre Essensstände aufräumen oder ihre Geschäfte abschließen.

Um 22:30 Uhr sind wir wieder in unserem Hostel und können es kaum glauben: Unser Buggy ist wieder da! Er steht hinter der Rezeptionistin und wartet auf uns! Die junge Dame erzählt uns, dass der Fahrer, in dessen Taxi wir den Kinderwagen vergessen hatten, schon wenige Minuten nach dem Anruf bei der Taxigesellschaft vorbeigekommen ist und den Buggy gebracht hat. Puh! So viel Glück kann man nicht erwarten. Wir freuen uns riesig und beschließen, zukünftig noch besser auf unser Gepäck aufzupassen, damit wir nicht irgendwann tatsächlich etwas verlieren und nicht nur vergessen.

In der folgenden Nacht finden wir wenig Schlaf. Wir fühlen uns oft an China und Nepal erinnert, als die anderen Gäste Dusche und Toilette direkt neben unserem Zimmer besuchen und sich laut räuspern und ausgiebig spucken. Auch mit der Verdauung scheint es nicht bei allen rund zu laufen, wie wir eindeutig hören können. Die Klimaanlage bläst direkt auf unser Bett, wohin sollte sie auch sonst blasen in diesem Minizimmer. Ohne wird es aber innerhalb von wenigen Minuten unerträglich heiß und schwül, sodass wir sie lieber anschalten uns mit der dünnen Bettdecke davor schützen, direkt angeblasen zu werden.

Wir quälen uns um 7:30 Uhr zum Frühstücksraum, der auf den Fotos im Internet so stylisch und modern aussah. In Wirklichkeit ist dieser schmale, schlauchförmige Open-Air-Gang aber eben der einzige Bereich mit genügend Platz für ein paar Barhocker und die Frühstücksutensilien. Wir machen Bekanntschaft mit Kaya, einer Spezialität aus Singapur: Der Kokos-Brotaufstrich auf Toastbrot schmeckt uns so gut, dass wir uns für die restliche Woche eindecken und es sehr bedauern, dass wir nichts davon nach Australien mitnehmen dürfen.

Schon vor dem Aufstehen haben wir beschlossen, dass wir in diesem Hostel ganz bestimmt nicht die nächsten 6 Nächte bis zu unserem Weiterflug nach Australien verbringen können. Marsi spielt ihren höchsten Trumpf aus und fragt kurzerhand bei Nicole nach, ob das Angebot noch steht, uns eine Couch anzubieten. Eine halbe Stunde später haben wir alles eingepackt, die Rechnung für eine Nacht im Hotel bezahlt und sitzen im Taxi, das uns von Little India in ein elegantes Wohnviertel im Südosten der Stadt bringt.

Nicole selbst ist schon zur Arbeit gegangen, dafür macht uns ihr Mann Emil die Tür auf und begrüßt uns herzlich. Daniel, der dreijährige Sohn der beiden, ist bereits im Kindergarten. Wir bekommen nicht nur eine Couch, sondern ein gemütliches IKEA-Schlafsofa in einem eigenen Zimmer, mit Ventilator und Klimaanlage, außerdem können wir Wohnzimmer, Bad und Küche mitbenutzen. Wir stauen nicht schlecht über den Panoramablick aus dem 15. Stock: Nicht weit entfernt liegt das Meer, wo unzählige große Schiffe auf die Abfertigung im Hafen warten.

Nicole, Emil, Daniel? Couch und eigenes Zimmer? Das geht ganz einfach: Wir machen Couchsurfing! Bereits Monate vor unserer Abreise hat Marsi über das große Couchsurfing-Portal den Kontakt hergestellt zu dieser Familie, die in Singapur wohnt und ihre Couch zur Verfügung stellt. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Erfahrung mit dieser Art der Unterkunft, sodass wir uns entschlossen haben, für Singapur doch lieber ein Hostel zu buchen anstatt uns gleich für eine ganze Woche bei einer Familie einzuquartieren, die wir nicht kennen und die uns nicht kennt. Schließlich haben wir unseren Sohn dabei, der nicht nur unseren Tages- und vor allem Nachtrhythmus bestimmt.

Jetzt sind wir überglücklich, dass die beiden uns eingeladen haben und uns ihr Zimmer zur Verfügung stellen. Wir lernen außerdem Horia kennen, einen Couchsurfer auf Jobsuche, der bereits seit längerer Zeit hier wohnt. Er ist – neben Nicole, Emil und Daniel – sicherlich einer der äußerst angenehmen Reisebekannten, an die wir uns noch lange und gerne erinnern werden.

Nach der gestrigen Enttäuschung im Mori Hostel sieht die Welt heute schon wieder ganz anders aus. Bei bestem Wetter erkunden wir die nähere Umgebung des Wohnblocks zu Fuß und finden das Paradies auf der anderen Straßenseite: ein Häuserblock mit kleinen Geschäften und Food Courts. Dort gibt es für wenig Geld genau dieses fantastische Essen, für das Singapur berühmt ist. Einen Mix aus verschiedenen Kulturen und Geschmäckern, die sich hier vereinen.

Außerdem führt direkt am Meer entlang der East Coast Park mit einer viele Kilometer langen Straße, die ausschließlich für Fußgänger, Jogger, Radfahrer und Inlineskater reserviert ist. An den meisten Stellen darf man außerdem campen, wir sehen viele Familien, die es sich übers kommende Wochenende hier gemütlich machen wollen.

Am Abend lernen wir Daniel kennen, den dreijährigen Sohn von Nicole und Emil. Ein Wirbelwind und Energiebündel, an dessen Sprachmixtur wir uns erst gewöhnen müssen: Mit Nicole spricht er Chinesisch, mit Emil Rumänisch und im Kindergarten und auch sonst überall lernt er Englisch.

Auf unserer Couch schlafen wir außerordentlich gut. Wieder einmal hat uns der vergangene Tag gezeigt, dass es für alles eine Lösung gibt und dass schlechte Erfahrungen einfach dazugehören. Es liegt an einem selbst, aus schlechten Erfahrungen gute zu machen. Auf unserem ersten Spaziergang in Singapur haben wir ein paar tolle Fotos gemacht: