Melbourne, Australien, 4:45 Uhr. Heute müssen wir früh aufstehen, Dari kann noch ein bisschen liegenbleiben. Schon um 6:00 Uhr sind wir am Schalter für den Online-Check-in am Flughafen, eine gute Stunde später am Gate. Mit 40 Minuten Verspätung startet unser A380-800 Richtung Osten. Dari schläft, während wir frühstücken und E-Mails schreiben. Wir schreiben sie nicht nur, wir können sie sogar verschicken, denn jeder Passagier erhält 10 MB Datenvolumen über WLAN umsonst, das müssen wir natürlich ausnutzen.

Gut 3 Stunden nach dem Start landen wir sicher in Auckland auf der Nordinsel Neuseelands, es ist 14:00 Uhr und wegen der Zeitverschiebung 2 Stunden später als in Melbourne. Der Heimat in Deutschland sind wir jetzt genau 12 Stunden voraus. Neuseeland ist unser Umkehrland auf dieser Reise: Wir werden die Erde nicht umrunden, sondern von hier aus westwärts wieder Richtung Deutschland zurückfliegen. Aber daran denken wir jetzt noch nicht, schließlich wollen wir noch ein halbes Jahr unterwegs sein.

Vor dem Ausgang bei Tür 11 müssen wir nicht lange warten, bis uns ein komfortabler Kleinbus abholt und uns ein paar Kilometer weiter beim Büro unseres Camper-Vermieters absetzt. Insgesamt haben wir für unsere Reise 3 verschiedene Camper gebucht: einen in Australien (Melbourne nach Alice Springs und zurück), einen in Tasmanien (Hobart nach Hobart) und einen in Neuseeland, welchen wir jetzt abholen wollen. Es gibt so viele Vermieter für Campervans in Neuseeland, dass man den Überblick schon mal verlieren kann. Damit ist inzwischen Schluss, denn eigentlich ist es ganz einfach: Egal ob Kea, Maui, Britz, Mighty, Alpha oder United, alles gehört zur Tourism Holdings Limited (kurz: thl). Die unterschiedlichen Marken unterscheiden sich hauptsächlich durch das Alter der Fahrzeuge. Wir können uns für die lange Zeit in Neuseeland kein neues Fahrzeug leisten und haben uns für Mighty entschieden. Unter diesem Namen werden Fahrzeuge vermietet, die früher mal ein Britz oder ein Maui gewesen sind und mindestens 3 Jahre alt sind. Das soll uns nur recht sein, denn dadurch können wir viel Geld sparen.

Das Büro von thl ist riesig, es gibt eine Rezeption, 2 Wartebereiche und viele Schalter mit Mitarbeitern. Wir haben einen günstigen Moment erwischt und kommen gleich dran. Ein paar Minuten später fährt Gabriela unser neues Zuhause auf den Hof. Wir haben das 4-Bett-Modell Double Up von Mighty gebucht, in dem wir für die nächsten 73 Tage fahren, essen und schlafen werden. Das Basismodell ist ein Sprinter wie bei den letzten beiden Campern (in Australien und Tasmanien) auch, er hat über 200.000 km auf dem Tacho.

Was hinter der Fahrerkabine ist, überrascht uns aber sehr: Statt 4 Betten ist dieser Camper für 6 Personen ausgelegt. Daran ist prinzipiell nichts auszusetzen, denn der Vermieter verkauft uns das als Upgrade in die nächsthöhere Klasse und darf das nach seinen AGB auch. Sowohl das Modell für 4 als auch das für 6 Personen hat eines der 2 bzw. 3 Betten über der Fahrerkabine, das man mit einer Leiter erreichen kann, das ist auch bei diesem Modell so. Zusätzlich gibt es ein Bett in der Mitte, wo wir aber Daris Kindersitz einbauen und diesen Bereich als Esszimmer nutzen und ein Bett ganz hinten, wo wir dann schlafen. Dachten wir zumindest.

Leider ist die Aufteilung dieses Campers dermaßen ungünstig für uns, dass wir Gabriela schon nach ein paar Minuten nach einer Alternative fragen. 73 Miettage sind lang und wir würden uns teilweise mehrmals täglich ärgern über diese Punkte:

  • Direkt neben dem Bett hinten (man schläft in Fahrtrichtung) ist auf einer Seite die Küchenzeile eingebaut (parallel zur Fahrtrichtung). Entweder schlafen oder etwas aus den Küchenschränken holen, beides gleichzeitig geht nicht. Stattdessen müssen wir das Bett jeden Tag morgens ab- und abends wieder aufbauen.
  • Der Kühlschrank ist abartig laut und keine 20 cm vom Bett entfernt.
  • Der Gasherd ist vom Bett aus in weniger als einer Armlänge erreichbar und hat paradiesisch viele Knöpfe für Dari. Auf dem oberen Bett können wir ihn aber auch nicht schlafen lassen.
  • Das untere Bett ist mit 1,90 m Länge für mich genau 2 cm zu kurz. „Mal“ kann ich das verschmerzen, aber für 73 Tage?
  • Der einzige Platz für Daris Kindersitz ist die Sitzbank in der Mitte, dann können wir aber den Tisch nicht mehr benutzen. Beides auf einmal passt nicht, entweder Sitz oder Tisch. Wir müssen den Kindersitz jedes Mal ausbauen, wenn wir den Tisch brauchen. Und wieder einbauen, wenn wir weiterfahren wollen.

Dass wir überhaupt keinen Stauraum für unser Gepäck haben, dass wir einen Gasherd ohne elektronischen Zünder haben und dass einer der Manager uns höchstpersönlich helfen muss, um den Kindersitz korrekt zu montieren, würde uns gar nicht so sehr stören. Aber wir haben einen Camper gebucht, der uns das ewige Hin- und Herräumen jeden Tag ersparen soll, davon hatten wir auf unserer ersten Reise in Australien genug. Stattdessen bekommen wir ein Modell, das unpraktischer nicht sein könnte, jeder Morgen hätte das dann wohl ungefähr so ausgesehen:

  • Alle aufstehen, raus aus dem Bett! Die Nacht war mal wieder bescheiden, weil der Kühlschrank alle 2 Minuten für 3 Minuten läuft. Das ist schlimmer als ein Baby, das jede Stunde wach wird und etwas essen möchte.
  • Wir müssen das hintere Bett erst zur Couch umbauen, damit wir überhaupt an die Küche rankommen.
  • Der Kindersitz steht irgendwo im Weg, da wir am Vorabend ja seinen Platz für den Esstisch gebraucht haben. Bis nach dem Frühstück kommt er auf die gerade wieder errichtete Couch und fällt mindestens 3 Mal herunter, bis wir mit allem fertig sind.
  • Auch unser Gepäck muss zunächst mal weg, aber es gibt keinen Platz im Camper, wo es uns nicht im Weg wäre.
  • Wo sind gleich wieder die Streichhölzer für den Gasherd?
  • Finger weg, Dari. Finger weg vom Gasherd, Finger weg von allem! Hinsetzen auf die Couch, Frühstück ist gleich fertig.
  • Wir frühstücken.
  • Ich spüle ab und räume auf, bringe den Camper vom Essmodus in den Fahrtmodus. Marsi flucht währenddessen wie jeden Tag über die 5 Minuten, die sie braucht, um den Kindersitz wieder richtig einzubauen.
  • Der Kindersitz ist jetzt aus dem Weg, aber das Gepäck? Wir räumen es von vorne (wo es im Weg war) nach hinten neben die Küche (wo es immer noch im Weg ist).

Abends beginnt das Spiel dann von vorne, in umgekehrter Reihenfolge. Wenn wir mal im Camper zu Mittag essen wollen, müssen wir zuerst den Kindersitz ausbauen, auch wenn die Pause nur eine Viertelstunde dauert. Wenn Dari mal einen Mittagsschlaf im Bett und nicht in seinem Kindersitz halten will, müssen wir zuerst die Couch hinten zum Bett umbauen. Hoffentlich müssen wir währenddessen nicht an den Kühlschrank oder an eine der Schubladen in der Küche, denn die Lücke zwischen Bett und Küche ist keine 20 cm breit, sodass die Schränke sich nicht mehr öffnen lassen.

Natürlich muss man in einem Camper Abstriche in der Bequemlichkeit machen, das wissen wir nicht erst seit heute. Aber so wird es nicht gehen. Genau das wollen wir nicht haben für die nächsten 73 Tage. Wir fragen Gabriela nach einer anderen Lösung. Sie hat Verständnis für all die Punkte, die wir ihr aufzählen, aber leider keine Lösung. Man könnte uns anrufen, wenn ein passendes Modell von einem Kunden zurückgegeben wird, aber das könnte Tage oder Wochen dauern. Sie erzählt uns, dass hier im Büro nur nach Auftrag gehandelt wird: Ein Camper wird zurückgegeben, saubergemacht, aufbereitet und an einem definierten Datum an einen bestimmten Kunden herausgegeben. Die Pläne, welcher Kunde welches Fahrzeug bekommt, werden in der Zentrale gemacht. Auf das Flottenmanagement hat man hier im Büro keinen Zugriff. Das Spiel geht noch eine Weile, Gabriela aber wird uns nicht helfen können, das müssen wir einsehen.

Es ist schon nach 17 Uhr, Feierabend. Wir gehen und lassen uns eine Telefonnummer von der Hotline unseres Vermieters geben, wo wir am nächsten Tag anrufen sollen. Vielleicht gibt es dort eine Möglichkeit, vertröstet man uns. In Manukau, nicht weit entfernt, gibt es einen Campingplatz, den wir für die erste Nacht anfahren. Auf dem Weg decken wir uns im Supermarkt mit dem Nötigsten ein und gehen nach einem kurzen Abendessen ins Bett.

Am nächsten Morgen sind wir frustriert über die Aussicht, dass die nächsten 72 Nächte genau so ablaufen könnten wie die gerade vergangene. Nach dem Frühstück fahren wir in die Westfield Mall und sorgen zunächst dafür, dass wir wieder online sind. Wie in Australien kaufen wir eine SIM-Karte für Marsis Handy und einen kleinen WLAN-Router, damit wir mit unserem Laptop und meinem Handy ins Netz kommen. Leider kostet uns die Verbindung zur großen weiten Onlinewelt in Neuseeland sehr viel mehr als in Australien, die Prepaid-Tarife hier sind bei weitem nicht so großzügig, wie wir es gehofft hatten.

Am Nachmittag sind wir wieder in unserem Camper auf dem großen Parkplatz der Mall. Marsi geht mit Dari draußen spielen, denn für die nächste Zeit werde ich Ruhe brauchen. Der Anruf bei der Hotline von thl steht an. Mary ist meine Gesprächspartnerin, ich berichte ihr sachlich, worum es geht: Wir haben gestern unseren Camper abgeholt, sind sehr unglücklich damit und wollen freundlich nach einer Alternative fragen. Mary nimmt mir alle Hoffnungen mit nur einem Satz und meint, in der gebuchten Klasse seien keine Fahrzeuge mehr frei. Durch unsere lange Mietdauer und die Tatsache, dass diese mitten in der Hochsaison über Weihnachten und Neujahr liegt, sind alle Fahrzeuge verplant.

Ich ziehe meinen ersten Joker und frage nach einem Upgrade in eine bessere Klasse, für das wir auch gerne bereit sind, mehr Geld zu bezahlen. Da muss doch was zu machen sein! Mary wird schon etwas zahmer und muss beim Flottenmanagement nachfragen, eine ganze Weile lang höre ich Musik in der Warteschleife. Ich habe wieder Pech, auch bei den Marken mit jüngeren Fahrzeuge als Mighty (Maui oder Britz) ist nichts zu machen. Hauptsaison, lange Mietzeit, ich kenne es ja schon.

Auch gegen die lange Mietzeit und die Hauptsaison habe ich noch ein As im Ärmel, denn es wäre für uns kein Problem, auch erst in ein paar Tagen ein Ersatzfahrzeug zu bekommen. Oder in ein paar Wochen in der Vermietstation in Christchurch, da wir ja ohnehin irgendwann auf die Südinsel fahren wollen. Alles ist besser als das, was wir jetzt haben. „Sorry“ ist wohl das Wort, das ich am öftesten von Mary höre. Es hilft auch nicht, sie darauf hinzuweisen, wie viel Miete wir jeden Tag bezahlen. Schließlich muss ich ihr glauben, dass es schlicht keine Möglichkeit gibt, an anderes Fahrzeug zu kommen. Marsi muss schon an meinem Blick gesehen haben, wie das Telefonat gelaufen ist. Wir trösten uns mit einer alten Weisheit, die sich auf unserer ersten Weltreise schon oft bewahrheitet hat: Zusammen sind wir stark, irgendwie wird’s schon gehen.

Am nächsten Morgen beschließen wir, dass wir nochmal zum Büro von thl fahren, um wenigstens die gröbsten Mängel an unserem Camper beseitigen zu lassen. Auch bei diesem Modell sind wieder ein paar Punkte auf der Liste, die man bei der Durchsicht hätte bemerken müssen. Auf dem Weg zum Büro warnt uns an einer Ampel das Auto nebenan, dass etwas mit unserem Camper nicht stimmt. Wir fahren links ran (in Neuseeland ist Linksverkehr) und stellen fest, dass sich der Verschluss des Fachs mit der Gasflasche verabschiedet hat und die Klappe jetzt je nach Geschwindigkeit mehr oder weniger hoch im Fahrtwind flattert. Immerhin ist sie noch dran und wir haben sie noch nicht verloren. Ein bisschen Gaffa hilft uns, bis wir um 10:30 Uhr beim Vermieter ankommen und einem Mechaniker unsere Liste mit den Mängeln übergeben:

  • Der Kühlschrank schaltet sich alle 2 Minuten für ungefähr 3 Minuten an, obwohl er nur auf Stufe 2 von 5 steht. Dabei macht er einen abartigen Lärm, was einen erholsamen Schlaf unmöglich macht.
  • Beim Übergang vom Wohnbereich zur Fahrerkabine steht ein breites Metallstück ca. 1 cm in die Höhe. Wir haben uns selbst in der kurzen Zeit bisher nicht nur ein Mal den Fußzeh daran gestoßen.
  • Das in der Eingangstür eingebaute Fliegennetz hat einen so großzügigen Spalt an der Seite, dass ein kleiner Vogel hindurchpassen würde. Wir sind im Sommer in Neuseeland und erwarten tonnenweise Moskitos und Sandfliegen.
  • Die Klappe des Fachs mit der Gasflasche ist kaputt.

Außerdem hätten wir noch gern eine normale Bratpfanne statt einem viel zu großen Bräter, einen kleinen Besen und wenigstens die Gurtpolster von Daris Kindersitz. Diese Punkte sollten sich alle schnell beseitigen oder erledigen lassen. Die anderen Kleinigkeiten schreiben wir schon gar nicht mehr auf und reparieren sie später lieber selbst.

Bevor der Mechaniker unser Auto mit in die Werkstatt nimmt, stelle ich ihm noch eine Frage. Vorne klebt eine Warnung, dass bei ausgeschaltetem Motor das rote Licht der Klimaanlage nicht leuchten darf. Direkt über diesem Licht ist der Schalter für die Klimaanlage, auf diesem steht „AC off, REST“. Dazu das rote Licht. Aha. Das Licht muss aus sein, steht darüber. Aber wenn es aus ist, würde es logischerweise bedeuten, dass „AC off, REST“ nicht aktiv ist und demnach die Klimaanlage an- und nicht ausgeschaltet ist. Der Mechaniker weiß es auch nicht, will dies aber nicht zugeben. Wir schalten den Motor an und er will einfach ausprobieren, was das ominöse Licht zu bedeuten hat, wann die Klimaanlage an und wann sie aus ist.

So schlau waren wir vorher selbst schon gewesen und auch der Mechaniker kommt schnell ganz eigenständig zu dem Schluss, dass da irgendetwas nicht stimmt. Wir stellen fest, dass die Klimaanlage überhaupt nicht funktioniert, ganz egal wo man drückt und welches Licht leuchtet. Prima, da hätten wir noch einen Punkt auf der Liste.

Wir warten im Büro, hier gibt es kostenloses WLAN, leckere Äpfel und auch noch Heißgetränke umsonst. Außerdem gibt es ein großes Regal, wo man Dinge für andere Reisende zurücklassen kann, die man selbst nicht mehr aufbrauchen konnte. Wenn man für 100 g gefriergetrockneten Kaffee 10 NZD (6 Euro) bezahlt, kann man sich schon mal freuen, wenn jemand eine unangebrochene Packung ins Regal stellt, bevor er seinen Camper abgibt. Wir machen nette Bekanntschaften, treffen Reisende aus Südafrika, aus dem Ruhrgebiet und aus Hamburg. Zeit dafür haben wir genug, denn die Reparatur der Klimaanlage dauert, nur für diesen (den für uns unwichtigsten) Punkt auf unserer Liste musste ein Spezialist gerufen werden.

Kurz nach 15 Uhr kommen wir vom Mittagessen zurück, unser Camper ist fertig. Ich gehe auf den Hof und sehe schon von weitem die grauen Gaffastreifen auf der Klappe der Gasflasche, die wir dort morgens behelfsmäßig angebracht haben, damit wir die Klappe nicht verlieren. Den Rest will ich gar nicht sehen, ich sage drinnen Bescheid und unser Camper dreht eine weitere Runde durch die Werkstatt. Kurz darauf ist er wieder fertig. Man sagt uns, dass ein Teil hinter dem Kühlschrank locker gewesen sei und dieser deswegen so einen Lärm veranstaltet hat, das sei jetzt aber behoben. Prima, denn 71 weitere Nächte neben diesem Kühlmonster hätten wir nicht lustig gefunden.

Ich schaue – nur sicherheitshalber – kurz ins Innere, bevor wir alle vorne einsteigen und losfahren. Was ich sehe, lässt mich auf der Stelle die Geduld verlieren und richtig sauer werden. Zum Glück ist der Rezeptionist im Vermieterbüro ein Thailänder, bei dem man mit wenig Geduld und sauer überhaupt nichts erreichen kann, wir bleiben also sachlich. Hinten in unserem Camper in der Küche, wo das reparierte Kühlmonster sein sollte, ist … ein Kühlmonster. Aber nicht an seinem Platz unter der kleinen Spüle, sondern mitten im Gang. Man hat ihn repariert, aber ans Einbauen danach hat wohl keiner gedacht. Bei der Gelegenheit stelle ich auch noch fest, dass durch den Spalt an der Eingangstür zwar kein ganzer Vogel mehr hindurchpassen würde, doch jede Moskitobrut oder Sandfliegenhundertschaft würde uns auslachen und alle ihre Freunde herbeirufen, wenn sie uns mit diesem Spalt auf der Südinsel treffen würde.

Während unser Camper abermals in die Werkstatt gefahren und repariert wird, verhandle ich mit dem netten Thailänder – ganz sachlich – über eine Erstattung. Ich will gar nicht erst wissen, ob wir mit etwas rechnen können, sondern frage gleich nach der Summe, die man Kunden üblicherweise erstattet, wenn die Werkstatt Mist gebaut hat. Der Betrag deckt sich mit den Kosten eines Miettags zu unserem Tarif, dazu handle ich noch eine Übernachtung auf dem Campingplatz in der Nähe heraus. Inzwischen ist es 17 Uhr, wir haben fast 7 Stunden im thl-Büro zugebracht und es irgendwie geschafft, uns immer noch nicht zu ärgern.

Am Abend wird es Zeit, unseren Sohn mal wieder unters fließende Wasser zu halten. Heißes Wasser bekommt man im Camper üblicherweise, indem man die Gasflasche (mit inzwischen funktionierender Klappe) aufdreht, ein Knöpfchen auf der Schalttafel innen drückt und wartet, bis das Wasser warm ist. Bisher hörten wir nach dem Drücken des Knöpfchens immer den Zündfunken und danach eine kräftige Gasflamme, heute aber gibt es stattdessen das Geräusch einer elektrischen Pumpe mit einem seltsamen Pochen. Das erscheint uns nicht normal, wir schalten es aus und probieren es noch einmal.

Ein großer Vorteil unseres Campers – der einzige Vorteil, wie es uns langsam erscheint – ist, dass wir auch ohne elektrischen Strom eine Heizung im Auto haben, auch das wollen wir jetzt wissen. Die Heizung ist an die Wassererwärmung gekoppelt und wir freuen uns schon auf den mollig-warmen Luftstrom aus den Düsen in Fußhöhe. Wir drehen den Schalter auf die Kombination von Warmwasser und Heizung und drücken aufs Knöpfchen. Die Pumpe pumpt, auch das Pochen ist wieder da. Zuerst langsam, mit jeder Sekunde wird es schneller. Es ist unnötig zu erwähnen, dass – während das Pochen noch schneller und unangenehm laut wird – weder das Wasser heiß noch das Innere unseres Campers warm wird. Es ist inzwischen empfindlich kalt draußen geworden und wir würden uns über die Heizung wirklich freuen. Nach 5 weiteren Minuten stinkt es nach verbranntem Plastik. Ich gehe nach draußen, hinter dem Fahrzeug ist der Geruch am stärksten. Dazu riecht es noch unangenehm nach Abgas. Wir drücken umgehend das Knöpfchen und verabschieden uns von einer warmen Nacht und auch davon, Dari heute noch im Camper zu duschen.

Wir haben aber noch einen Trumpf in der Hand, um die Nacht doch noch zu retten. Statt einer eingebauten elektrischen Heizung (stattdessen haben wir ja die Gasheizung, die aber nicht funktioniert) hat man uns einen kleinen Heizlüfter mitgegeben. So ein Modell, wie man es auch zu Hause im Baumarkt findet. Auf der Campsite sind wir ja ans Stromnetz angeschlossen und könnten den Lüfter benutzen. Wir schließen den Heizlüfter an die Steckdose an und … nichts. Gar nichts. Ich checke alles: Sicherung beim Stromanschluss, Sicherungen im Camper, alles gut. Nur der Heizlüfter funktioniert nicht, das Ding ist kaputt. Welch Ironie!

Als ob ihr es euch schon gedacht hättet, stehen wir am nächsten Morgen wieder bei thl im Büro. Der nette Thailänder traut seinen Augen nicht, gestern hat er uns den ganzen Tag gesehen, heute sind wir schon wieder da? Ich habe den defekten Heizlüfter in der Hand und erkläre ihm kurz, weswegen wir hier sind und dass ich jetzt ganz dringend mit jemandem sprechen möchte, der Entscheidungen treffen kann, der etwas zu sagen hat. Ich bin es inzwischen leid, wegen Kleinigkeiten Reisetage zu opfern und mich über schlampige Arbeit anderer zu ärgern.

Ein Mechaniker wird gerufen. Lui aus Samoa ist aber irgendwie anders als die Mechaniker von gestern: Er sieht gut aus, hat ein nettes Lächeln in seinem gebräunten Gesicht und erscheint so viel kompetenter als seine Kollegen. Zusammen gehen wir in unseren Camper und ich erzähle, wie viel Spaß wir gestern mit der Heizung und dem Warmwasser hatten. Lui wundert das alles gar nicht. Auch er drückt aufs Knöpfchen, da ist die Pumpe wieder und auch das ominöse Pochen, Lui verzieht keine Miene. Das Pochen wir schneller, wir warten ein paar Minuten. Pochen, Pumpe und Gestank kommen daher, dass diese Art von Heizung nicht mit Gas funktioniert, sondern mit Diesel, erklärt er mir. Ich staune nicht schlecht, als ich das erfahre.

Als ich selbst alles schon längst wieder abgeschaltet hätte aus Angst, dass der Camper mitsamt Warmwasser und Heizung gleich explodieren könnte, geht Lui ganz cool mit mir nach draußen und hält seine Nase ans Heck des Campers. Auch er riecht das Abgas, nur das verbrannte Plastik verteilt sich heute besser, weil es sehr windig ist. Nach einer Viertelstunde kommt tatsächlich ein laues Lüftchen aus den Heizungsdüsen im Camper und das Wasser ist mit viel Fantasie von saukalt auf kalt erwärmt worden. Als ich Lui erzähle, dass wir nicht eine Stunde warten wollen, nur um mal eben unseren Sohn zu duschen und dass ich die Abgase nicht gerade für förderlich für seine und unsere Gesundheit halte, schaltet er die Kiste ab und geht mit mir ins Büro.

Er spricht kurz mit dem Rezeptionisten und gibt mir mit seiner kompetenten Art zu verstehen, dass man sich jetzt ganz schnell darum kümmern würde, dass wir ein anderes Fahrzeug bekommen. Dann verschwindet Lui in der Werkstatt, weg ist er. Unser Thailänder telefoniert und bittet uns, noch eine kurze Weile zu warten.

Keine Viertelstunde später setzt sich eine nette junge Dame zu uns, sie ist die rechte Hand des Managers dieser thl-Niederlassung und bietet uns 2 Optionen an: Wir können warten, bis ein ähnlicher Camper wie der, den wir gerade haben, zurückgegeben wird und diesen übernehmen in der Hoffnung, dass wir nicht so viel Ärger damit haben. Oder wir nehmen ein viel größeres Modell, das gerade zufällig auf dem Hof steht und auf Abholung wartet. Während sich die erste Option wieder mal nach Vertrösten anhört, finden wir die zweite Option interessant und wollen das viel größere Modell gern sehen. Wir ziehen gelbe Warnwesten an und überqueren den Hinterhof der Werkstatt, bis wir vor ihm stehen, vor dem Traum unserer schlaflosen neuseeländischen Campernächte.

FRN82 ist sein Kennzeichen, von außen ist er schon mal schön sauber. Unter der Haube versteckt sich ausnahmsweise kein Sprinter, sondern ein VW Crafter, aber das soll uns egal sein. Im Oktober 2010 wurde er gebaut, ist also seit 4 Jahren im Einsatz, in dieser Zeit hat er knapp 160.000 km in Neuseeland gesammelt. Diesel, Automatik, Klimaanlage, Rückfahrkamera in Farbe, fantastisch.

Wir gehen nach hinten und staunen nicht schlecht, wie groß dieses Fahrzeug von innen ist. Ein Bett über der Fahrerkabine, eines in der Mitte und eines hinten. Das mittlere könnten wir als Essbereich nutzen, das hintere dauerhaft als Bett, ohne auch nur ein Mal etwas umbauen zu müssen. Die Küche ist in diesem Modell viel geschickter platziert. Aber was ist mit Darian und seinem Kindersitz? Hier spielt Lui, wie wir dem Camper sofort taufen, seinen höchsten Trumpf aus. Es gibt nicht viele dieser Fahrzeuge aus der Modellreihe mit dem Namen „Renegade“. Offiziell buchen kann man es gar nicht mehr, aber ein paar Renegades trifft man noch hier und da in Neuseeland. Ganz einzigartig an diesem Modell für 6 Personen ist, dass er eine abgetrennte Fahrerkabine mit 2 Sitzreihen hat. Man kann also nicht wie in den allermeisten anderen Campern (und allen, die wir bisher hatten) von der Fahrerkabine zwischen Fahrer- und Beifahrersitz direkt nach hinten laufen, sondern muss aussteigen und kommt nur durch eine Seitentür in den Wohnbereich. Dieser riesengroße Vorteil springt uns direkt an: Dari sitzt hinter uns, hat eine eigene Sitzreihe für sich, wir haben kein Problem mit seinem Kindersitz und ganz nebenbei ist uns der Lärm im hinteren Bereich des Campers völlig egal. Auf der hinteren Sitzreihe ist Platz für 4 Personen, Daris Sitz braucht aber nur einen Platz. Auf den restlichen könnten wir unser Gepäck unterbringen und hätten auch dieses Problem sehr elegant gelöst.

Und was ist mit der Größe? Oh ja, durch die separate Fahrerkabine und die zweite Sitzreihe ist dieses Monstrum länger als alle anderen Camper. Auf stolze 7,70 m kommt Lui, außerdem ist er auch knapp 30 cm breiter als wir es gewohnt sind. Mit den Seitenspiegeln und der Rückfahrkamera (in Farbe) fährt er sich aber nicht anders als alle anderen Camper, die wir bisher hatten.

Wir müssen nicht lange überlegen und verlieben uns sofort in dieses Modell, besser könnte es gar nicht sein. Etwas besorgt sind wir aber über den Preis, denn noch wissen wir nicht, wie viel uns dieser Luxus kosten wird. Das neue Modell hat mit dem ursprünglich gebuchten „Double Up“ für 4 Personen wirklich nicht mehr viel gemeinsam. Nach dem ganzen Ärger mit dem bisherigen Camper hat die Managerin offenbar Mitleid mit uns und versichert uns, dass wir Lui ohne Aufpreis für die gesamte Mietdauer haben können.

Dafür hat sich das Warten gelohnt! Immerhin haben wir den alten Camper vor 3 Tagen hier abgeholt und 3 ungemütliche Nächte darin verbracht, haben von allen Seiten gehört, dass es keine Alternativen gäbe und jetzt plötzlich bekommen wir Lui vor die Nase gestellt. Wir freuen uns riesig, räumen unseren Camperrat (wir haben immer noch keinen Hausrat) von unserem alten ins neue Zuhause und fahren um 16:00 Uhr vom Hof. Natürlich haben wir euch noch nicht alle Vorteile verraten, die sich uns durch Lui jetzt bieten:

  • Das Bett über der Fahrerkabine ist riesig, hier könnten locker 3 Personen schlafen.
  • Das hintere Bett ist etwas kleiner, aber immer noch riesig.
  • Sobald wir uns ans Stromnetz anschließen, wird das Wasser ganz automatisch über eine elektrische Heizung aufgewärmt. Ohne Gas und ohne Diesel.
  • Mit 14 Litern Diesel auf 100 km verbraucht er nicht mehr als unsere bisherigen Camper, die alle deutlich kleiner und leichter waren.
  • Ringsherum laufen auf Augenhöhe im hinteren Teil Schränke und direkt darunter eine Ablage, die wir nicht einmal mit unserem kompletten Camperrat ansatzweise füllen können.
  • Wir haben Plastikgeschirr, was mit Kind von unschätzbarem Wert ist.
  • Neben den 2 Lautsprechern im inneren Teil haben wir 2 zuschaltbare Außenlautsprecher, durch die wir unliebsame Nachbarn mit Daris Kinderliedern vertreiben können.

Wir fahren an diesem Tag mit Lui noch 50 km nach Norden bis nach Orewa, wo wir uns auf einem gemütlichen Campingplatz einmieten. Schon bei der ersten Besichtigung von Lui war klar, dass wir das mittlere Bett gar nicht erst aufbauen und stattdessen dort den Esstisch platzieren, während das hintere Bett dauerhaft ein Bett bleibt.

Als ich abends das hintere Bett aufbauen will, finde ich ein Polsterteil. Dieses benötigen wir, um die Stelle zu polstern, wo tagsüber der Tisch ist, welcher im Schlafmodus als Unterlage fürs Bett benutzt wird. Wir haben aber 2 Tische, demnach sollte es auch 2 Polster geben, damit wir beide Betten benutzen können. Ich finde aber nur ein Polsterteil. Eine Viertelstunde lang spiele ich Tetris mit allen Polstern, die ich in Lui finde, baue hier und da welche aus und an anderer Stelle wieder ein. Es passt einfach nicht. Das passende Polster für das hintere Bett fehlt. Ausgerechnet das fürs hintere Bett! Würde das Teil fürs mittlere Bett fehlen, wäre uns das sogar recht, denn die Dinger sind immerhin fast einen Quadratmeter groß und immer im Weg. Aber es fehlt das Polster fürs hintere Bett, offensichtlich hat wieder jemand geschlafen bei der Aufbereitung des Campers. Vielleicht hat er sogar auf genau dem Polster geschlafen, das uns jetzt fehlt.

Wir bauen uns ein Behelfspolster aus Kissen und Bettlaken, davon haben wir ohnehin zu viele. Am nächsten Tag rufen wir beim Vermieter an und bekommen ein paar Tage später das fehlende Polster, allerdings nicht ohne Umwege. Diese Umwege stellen sich aber als äußerst interessant heraus, denn dadurch gewinnen wir Eindrücke, die normalen Neuseelandtouristen verborgen bleiben. Mehr davon gibt es in einem der nächsten Artikel. Jetzt seid ihr bestimmt gespannt auf ein paar Fotos von Lui, unserem neuen Zuhause für die nächsten 70 Tage: