Nur 57 Minuten dauert der Flug von Melbourne nach Hobart auf der Insel Tasmanien (beide Links zu Wikipedia), wo der kleine Airbus A321 um kurz vor 16 Uhr landet. In weniger als 10 Minuten haben wir unser Gepäck und stehen an der Quarantäne: In den verschiedenen Bundesstaaten Australiens gelten mehr oder weniger starke Vorschriften über alles, was eingeführt werden darf. Dabei geht es nicht um zollpflichtige Artikel wie Zigaretten oder Bargeld, sondern um Obst, Gemüse und alle natürlichen Dinge wie Pflanzensamen oder tierische Produkte. Wir schmuggeln 2 Äpfel auf die Insel und lassen uns nichts anmerken, als wir durch die Quarantäne-Kontrolle laufen.

Für heute ist es schon zu spät, deswegen haben wir unseren Camper erst für den nächsten Tag und für die kommende Nacht ein Hotel gebucht. Sowohl der Autovermieter als auch das Hotel liegen nur knapp 2 Kilometer vom Flughafen entfernt. Wir hätten laufen können, finden jedoch einen kostenlosen Transfer in einem Minibus, außerdem hätte es sowieso keinen Fußweg gegeben. Mit unserem ganzen Gepäck, Kind und Kinderwagen laufen wir eine solche Strecke nicht gerne auf der Straße.

Wir kommen trotzdem noch in den zweifelhaften Genuss eines Spaziergangs auf dem Highway. Der Fahrer ist wohl etwas in Gedanken, als er Richtung Hobart abbiegt. Eine Ausfahrt im Kreisverkehr weiter wäre es zu Hotel und Autovermieter gegangen. Gut 500 m später hören wir „Oh no, Travelodge!“ vom Fahrersitz, er fährt eine Haltebucht an, die gerade vor uns ist. Da die nächste Ausfahrt und Wendemöglichkeit viele Kilometer entfernt ist, entschuldigt er sich hundertfach und schon haben wir unseren Spaziergang: Marsi hat ihr Daypack mit Dari-Utensilien auf dem Rücken, schiebt Dari im Kinderwagen, unsere in einem Packsack eingepackte Rückentrage liegt auf dem Kinderwagen, welcher beinahe zusammenbricht unter dem Gewicht. Den Rollkoffer mit dem meisten Gepäck ziehe ich, auf dem Rücken trage ich unser Daypack mit allem Wichtigen, meinen Hut habe ich auf dem Kopf und die Kameratasche über der Schulter. Durchzählen, alles da, los geht’s.

Wir laufen bei angenehmen Temperaturen einen halben Kilometer zurück zum Hotel, zum Glück ist nicht allzu viel los auf den Straßen. In der Travelodge angekommen sind wir mehr als überrascht von dem Standard des Hotels. Es kann zwar nicht ganz mit unserem ersten Hotel in Dubai mithalten, obwohl es fast doppelt so viel kostet, aber zu beklagen gibt es nichts. Dari macht sich wie gewohnt zuerst über die Fernbedienung des großen Flatscreen-TVs her und schaltet die exotischsten Sender ein, die wir selbst auch mit viel Suchen nicht gefunden hätten. Den größten Luxus allerdings bietet uns das Babybett, in das wir Dari für heute Nacht packen. Damit gehört das große Doppelbett ganz alleine Marsi und mir! Dachten wir. Um 3:00 Uhr ist es vorbei mit dem Luxus, Dari will doch lieber bei uns schlafen und streckt – sobald er bei uns im Bett liegt – seinen Kopf zu mir und die Füße zu Marsi. Von 1,80 m Breite im Doppelbett bleiben jedem von uns also nur noch weniger als 50 cm. Prima.

Gleich hinter der Tankstelle, keine 100 m entfernt, liegt das Büro von Apollo Camper. Es ist so nah, dass es sich gar nicht lohnt, unser Gepäck sinnvoll in die Rucksäcke zu verteilen. Dale ist als einziger Mitarbeiter da und kümmert sich um uns, ganz nach unserer alten Tradition steht der Name unseres neuen Campers also schon fest. Please welcome: Dale! Wir haben uns für unsere 2 Wochen in Tasmanien etwas Feines ausgesucht, einen Apollo Euro Deluxe, der für Transport und Unterbringung von 6 Personen ausgelegt ist.

Einen edlen Eindruck macht der Junge, das müssen wir zugeben: Holzverkleidung innen, 2 Fernseher, 2 Gasflaschen, ein riesiger Kühlschrank mit eigenem Gefrierschrank und eine geräumige Dusche hat er zu bieten. Fast 47.300 km sind auf dem Tacho, so alt kann Dale also nicht sein. Während uns Dale (der Mitarbeiter von Apollo) eine persönliche Einführung in die Features von Dale (dem Camper) gibt, fallen uns immer mehr Kleinigkeiten auf, die den edlen Eindruck etwas schmälern: Obwohl die Toilette drehbar ist, müssen wir uns wohl angewöhnen, alle unsere Geschäfte im Stehen zu verrichten, so wenig Platz ist dort. Das Geschirr liegt lose in einer Holzschublade, das Besteck ebenso lose in einem IKEA-Besteckkasten aus Metall. Das ist für den Lärmpegel während der Fahrt bestimmt sehr förderlich. Als wir Daris Kindersitz einbauen, müssen wir den Esstisch bis zum Maximum nach vorne schieben, sodass man auf der Sitzbank gegenüber nur noch sitzen kann, wenn man einen Bauchumfang von 10 cm oder weniger hat. Dari ist dafür mit seinen Füßen zwischen Tisch und Sitz eingeklemmt. Wir weisen Dale (den Mitarbeiter) auf diese Zustände hin, ernten aber nichts als seltsame Blicke: Bisher hat sich noch niemand beschwert, eine andere Lösung wie etwa ein gleiches Modell mit anderer Innenaufteilung gibt es sowieso nicht.

Nun ja, irgendwie wird’s gehen. Als wir losfahren wollen, hören wir „Bing“, auf dem Display sehen wir einen Schraubenschlüssel und dahinter „5.500 km“. Wir geben uns optimistisch und reden uns ein, dass in 5.500 km wohl die nächste Wartung ansteht und der Sprinter – das Basismodell für viele Campervans – uns schon mal rechtzeitig vorher informieren möchte. Soll er ruhig, so weit wollten wir auf Tasmanien ohnehin nicht fahren. Dass „Bing“, Schraubenschlüssel und Kilometeranzahl zukünftig bei jedem Anlassen des Motors und während der Fahrt ungefähr alle 10 km unsere ständigen Begleiter sind, beunruhigt uns schon etwas mehr. Nach einem ausgiebigen Einkauf im nächsten Coles machen wir uns auf in Richtung Südosten. Tasmaniens Hauptstadt Hobart lassen wir aus und heben sie uns für später auf.

„Bing“, Schraubenschlüssel und … 5.600 km! Schade, wir waren wohl etwas zu optimistisch. Vor 5.600 km hätte also eine Wartung stattfinden sollen, nicht in 5.600 km. Vermutlich hat diese auch stattgefunden und der Mechaniker hat einfach nur vergessen, das Wartungsintervall zurückzusetzen, reden wir uns ein. Eine kurze Abschätzung der Distanzen in Tasmanien lässt uns überschlagen, dass unser Dale (der Camper) innerhalb der letzten 5.600 km ungefähr 3 Mal von Kunden zurückgegeben, gereinigt, aufbereitet und wieder an neue Kunden herausgegeben worden sein muss. Das „Bing“ ertönt laut und warnend bei jedem Start der Maschine, und jetzt mal ehrlich: Während so ein Campervan zwischen 2 verschiedenen Kunden ein paar Tage in seiner Heimatbasis ist und dort bestimmt 10 Mal gestartet und von A nach B gefahren wird, bis er wieder herausgegeben wird, kann man die 10 „Bings“ einfach ignorieren? Und das bei 3 Aufbereitungen für geschätzte 3 Kunden? Einfach überhören und vergessen? Zum ersten Mal kommt uns der Verdacht, dass jemand bei unserem Camper schlampig gearbeitet hat. Und wer mich ein bisschen kennt, sollte wissen, dass ich Schlamper ganz besonders mag.

Noch fährt die Mühle ja, und so ein Schraubenschlüssel kann uns die Stimmung nicht vermiesen. Wir wollen unser Tasmanien-Abenteuer ganz im Südosten beginnen und steuern auf die Tasman-Halbinsel zu. Die vielen „Tasmans“, über die ihr in diesen und zukünftigen Artikeln stolpern werdet, stammen übrigens vom Namen eines berühmten Seefahrers: Der Niederländer Abel Tasman war der erste Europäer, der Mitte des 17. Jahrhunderts nach Tasmanien kam. Ganz nebenbei entdeckte er auch noch Neuseeland, wo sein Name heute ebenfalls noch präsent ist wie zum Beispiel im Abel-Tasman-Nationalpark im Nordwesten von Neuseelands Südinsel.

Wir verbringen die Nacht auf einer ganz besonderen Campsite: In der Nähe von Dunalley liegt der Sunset Beach Holiday Spot. Harvey hat hier mit seiner Frau ein schnuckliges Wohnhäuschen und einen riesigen Garten direkt am Strand. In diesem Garten ist Platz für viele Campervans, Autos, Zelte oder ganze Busse. Ein sauberes Häuschen mit Toiletten und Duschen gehört dazu, für 5 AUD (ca. 3,50 Euro) pro Person kann man hier übernachten. Vor wenigen Jahren noch hatte er außerdem 6 Cabins, kleine Hütten mit Schlafzimmer und Küche zur Vermietung. Im Januar 2013 fielen alle Cabins einem großen Buschfeuer zum Opfer, das Wohnhaus konnte zum Glück erfolgreich gegen die Flammen verteidigt werden. Wir bezahlen die 10 AUD gerne und sehen einen der wunderschönen Sonnenuntergänge, die diesem Ort seinen Namen geben.

Die Tasman-Halbinsel ist durch eine 400 m lange, teilweise nur 30 m breite Landverbindung, den Eaglehawk Neck, vom restlichen Tasmanien getrennt. Wir passieren diese natürliche Engstelle am nächsten Morgen und können schon erahnen, welche Rolle diese für Port Arthur im 18. Jahrhundert gespielt haben muss. Die schmale Stelle war und ist der einzige Zugang zur Halbinsel und kann mit wenig Aufwand kontrolliert werden. Port Arthur war von ca. 1830 bis 1850 eine berüchtigte Sträflingskolonie. Die besonders schweren Jungs aus Großbritannien sowie aus anderen Gefängnissen wurden hierher transportiert und in einem der sichersten Gefängnisse dieser Zeit untergebracht. Eine Flucht war praktisch unmöglich, denn außer der bewachten Engstelle gab es nur die aussichtslose Möglichkeit, übers Meer zu fliehen.

An den nächsten beiden Tagen schauen wir uns das bedeutsame Port Arthur ausgiebig an. Damit meinen wir nicht den kleinen Ort mit ein paar Hundert Einwohnern, sondern das bestens auf Touristen eingestellte Gelände des ehemaligen Gefängnisses. Seit 2010 ist es sogar in der Liste des UNESCO-Welterbes zu finden. Besonders beeindruckend ist das Gefängnisgebäude mit Einzelzellen, das nach dem Panoptikum-Modell erbaut wurde: Durch die sternförmig abgehenden Zellentrakte kann das komplette Gefängnis von einer einzigen Person in der Mitte überwacht werden. Zu jeder Zeit musste Ruhe herrschen, Kommunikation durfte in keiner Form stattfinden. Das Prinzip der stillen Strafe hat nach den Aussagen unseres Guides, der uns viel Wissen über Port Arthur vermittelt, selbst den Willen der härtesten Kerle gebrochen und ließ einige sogar verrückt werden.

Selbst Kinder wurden nach Port Arthur gebracht, um wegen oft lächerlich kleiner Delikte hier nicht weniger hart zu arbeiten als die schweren Jungs, die nicht in Einzelzellen untergebracht waren. Nach nicht einmal 50 Jahren wurde das Gefängnis geschlossen und man schämte sich im Königreich für alles, was dort stattgefunden hatte. Der Ort wurde kurzerhand umbenannt in Carnarvon, nichts mehr sollte an die grausame Vergangenheit erinnern. Schon im frühen 20. Jahrhundert aber wollten so viele Touristen das ehemalige Gefängnis besuchen, dass der ursprüngliche Name wieder verwendet wird: Port Arthur.

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an ein trauriges Ereignis der jüngeren Geschichte, das den Ort in die Nachrichten brachte: Ende April 1996 gab es in Port Arthur einen Amoklauf, bei dem ein junger Mann 35 Menschen tötete.

Die Tasman-Halbinsel hat aber neben Port Arthur noch eine ganze Menge anderer Highlights zu bieten. Bei Lufra machen wir einen der wohl schönsten Spaziergänge unserer Reise mit unserem inzwischen laufenden und bestens gelaunten Dari. Wir laufen ein paar Hundert Meter zum Tessellated Pavement: Völlig akkurat verlaufen diese Steinformationen wie sauber verlegte Bodenfliesen, auf die jeder Fliesenleger neidisch wäre. Es ist unglaublich, dass die Natur zusammen mit Zeit und geologischen Zufällen solche exakten Formen erschaffen kann. Ganz in der Nähe sehen wir noch weitere – ganz natürlich entstandene – Highlights: Devil’s Kitchen, Tasman Arch und das Blowhole.

Als wir die Tasman-Halbinsel wieder verlassen, ist die Zahl hinter dem Schraubenschlüssel beim „Bing“ auf 5.800 km angestiegen. Wir reagieren schon gar nicht mehr auf das Bing und übersehen fast, dass eine neue Warnleuchte dazugekommen ist: ASR und ESP wollen uns auch etwas mitteilen, verrät uns die Anleitung, die wir um Rat befragen. Bei jedem zweiten Motorstart geht es den beiden wohl wieder gut und die Warnleuchten bleiben aus. Bis zum nächsten Start zumindest.

Ein paar Kilometer später geht die nächste Warnleuchte an, dieses Mal ist es die „Engine Diagnostic Indicator Lamp“. Sie wird uns die nächsten Wochen noch begleiten und mehr oder weniger viel Ärger machen. Leider sagt die Anleitung über diesen Fehler, dass er alles und nichts bedeuten kann, wir haben keine Möglichkeit herauszufinden, ob es etwas Wichtiges ist. Jetzt wird es Zeit für die Road Assistance, dafür haben wir ja diese ständig erreichbare Notfallrufnummer, falls unterwegs einmal etwas passiert. Da wir noch nicht wissen, wie weit wir heute fahren wollen, rät man uns, später noch einmal anzurufen. Nach 18 Uhr wird die Rufnummer auf ein anderes Team umgeschaltet, man wird uns jemanden dorthin schicken, wo wir die Nacht verbringen.

Bis nach Swansea schaffen wir es an diesem Tag, wir sind seit Port Arthur immerhin 225 km gefahren. Die undefinierbare Warnleuchte hat sich inzwischen wieder beruhigt, trotzdem rufen wir nach 18 Uhr nochmals die Hotline an. So wichtig wird die Lampe schon nicht gewesen sein, sie ist ja wieder aus und der Van fährt ja noch, hören wir. Wir sollen besser am nächsten Morgen nochmal anrufen, wenn die Hotlinenummer wieder auf das andere Team umgestellt ist. Wir regen uns schon gar nicht mehr auf. Stattdessen fangen wir – zunächst nur in Gedanken – an, eine Liste zusammenzustellen mit allen Warnleuchten, Bings und Eigenheiten, die unser Camper so zu bieten hat. Es geht spannend weiter mit Dale (dem Camper), so viel sei schon jetzt verraten.

Die Zeit bis zum nächsten Artikel wollen wir euch mit ein paar Fotos verkürzen: