Vorsicht: Bei diesem Artikel ist die Fantasie mit dem Autor durchgegangen! Wer wissen will, wie es tatsächlich mit dem Sonnenverlauf auf der Südhalbkugel funktioniert, sollte unseren neuen Artikel lesen. Allen anderen wünschen wir viel Spaß mit der Lektüre unserer nicht ganz ernst gemeinten wissenschaftlichen Abhandlung über dieses komplexe Thema!

Es ist Anfang November, wir sind gerade in Tasmanien unterwegs. Uns erreicht eine E-Mail von einer Freundin, deren Namen wir geheim halten wollen. Nennen wir sie doch einfach Ute, das ist unverfänglich. Ute fragt uns:

Hey ihr drei,

euer Reiseblog ist wirklich klasse, ich fiebere andauernd mit eurer Route mit.

Vielleicht habt ihr ja Lust, mir einen Gefallen zu tun, falls ihr die Möglichkeit habt, einen Tag mehr oder weniger am selben Ort zu verbringen. Ich hatte in Down Under leider null Orientierung (was mir sonst nie passiert), weil ich mich mit den Himmelsrichtungen immer an der Sonne orientiere. Leider habe ich es aber total verpasst, mir mal den Sonnenverlauf über einen Tag hinweg anzuschauen, geschweige denn zu fotografieren, weil wir ja meist auf Tour waren. Ich wüsste schrecklich gerne, ob sich die Sonne auf der anderen Hälfte der Welt wirklich gegen den Uhrzeigersinn dreht.

Falls ihr mal einen Tag einfach nur an einer Bucht oder so seid oder wisst, dass ihr ein paar Mal an derselben Ebene vorbeifahrt, hättet ihr vielleicht Lust mal zu schauen, ob die Sonne da unten echt im Westen aufgeht? Und läuft die dann über Norden nach Osten? Oder geht die im Osten auf und läuft über Norden nach Westen? Oder geht sie im Westen auf und geht über Süden nach Osten? Oder ist es doch genau wie bei uns? Vielleicht könntet ihr ja sogar Fotos vom Sonnenverlauf schießen?

Ich fände eine Antwort darauf wirklich klasse, denn ich ärgere mich seit über vier Jahren wie Bolle, dass ich es nie geschafft habe, mir darauf eine Antwort zu geben.

Liebe Grüße,
Ute

Nun, das lassen wir uns nicht zweimal sagen! Wir wollen uns umgehend alle Folgen von „Alpha Centauri“ von und mit Harald Lesch runterladen, womöglich hätten wir in einer der Folgen die richtige Antwort auf genau diese Frage gefunden. Leider ist es uns bei den Internetpreisen in Australien nicht gelungen, auch nur den Vorspann einer einzigen Folge zu laden, ohne unsere Reise wegen Geldmangels sofort abbrechen zu müssen. Die Optionen mit mehrmals an derselben Ebene vorbeifahren oder mehrere Tage am selben Ort bleiben scheiden aus, denn dafür haben wir leider nicht genug Zeit.

Es wäre doch gelacht, wenn ich die Antworten nicht mal eben ganz locker aus dem Ärmel schütteln könnte, schließlich habe ich in der 12. Klasse den Grundkurs „Astronomie“ bei Herrn Schäfer mit 14 und 15 Punkten belegt. Und die 14 Punkte waren auch nur deshalb nicht 15, weil Herr Schäfer sich in der einzigen Klausur im 1. Halbjahr verzählt hat. Also, gehen wir’s an!

Zunächst wollen wir einmal feststellen, wie es denn bei uns zu Hause auf der Nordhalbkugel läuft: Die Sonne geht im Osten auf und im Westen unter. Leicht zu merken: Lucky Luke reitet in den Sonnenuntergang, natürlich nach Westen, denn er ist ja im Wilden Westen. Tagsüber steht sie mal mehr und mal weniger im Süden, aber sie ist niemals im Norden zu sehen. Deswegen liegt der Schnee im Winter auf Nordhängen (weniger Sonne) auch immer länger als auf Südhängen, während der Wein von Südhängen (mehr Sonne) besser schmeckt als der von Nordhängen.

Die Erde dreht sich auf der Nordhalbkugel, würde man von oben auf den Nordpol blicken, im Uhrzeigersinn, so wie man einen Wasserhahn oder das Ventil der Gasflasche an unserem Camper zudreht und genau anders herum als der Strudel beim Abfluss in der Badewanne. Dieser dreht sich auf der Nordhalbkugel nämlich stets nach links, also im Gegenuhrzeigersinn. Dafür ist die Corioliskraft verantwortlich, die zwar durch die innertropische Konvergenzzone abgeschwächt wird, aber immer noch einen Einfluss auf die Drehung des Wassers im Abfluss bis weit über den Polarkreis hinaus hat.

Was genau ist jetzt auf der Südhalbkugel anders? Vermutlich waren die meisten unserer Leser noch nie südlich des Äquators, deswegen will ich erklären, wie es da unten läuft und euch die wichtigsten Fakten nennen, nur durch die Kraft des Verstandes und mit den Erinnerungen an Herrn Schäfer hergeleitet.

Sobald man den Äquator überquert – und dabei spielt es keine Rolle, ob man fliegt, mit dem Schiff fährt oder gar läuft – ändert sich das Bezugssystem. Man schaut jetzt nicht mehr von über dem Nordpol auf die Erde, sondern von unter dem Südpol, denn von über dem Nordpol könnte man die südliche Halbkugel ja gar nicht sehen. Durch die Verschiebung des Bezugssystems wird aber je nach Jahreszeit der Blick von unter dem Südpol auf die im Norden stehende Sonne allzu oft versperrt, weswegen jetzt der einzige andere Planet in unserer Nähe den Platz des Bezugspunktes einnehmen muss: der Mond. Dieser dreht sich bekanntlich in 365 Tagen ein Mal um sich selbst und in 24 Stunden ein Mal um die Erde, das ist aber nur auf der Südhalbkugel so. Damit die Referenzpunkte Sonne auf der Nordhalbkugel und Mond auf der Südhalbkugel nicht innerhalb von kürzester Zeit auseinanderlaufen, wurde das komplizierte System mit den Schaltjahren eingeführt. Alle paar Jahre gibt es sogar eine zusätzliche Schaltsekunde.

Wir haben also 2 Bezugspunkte, einen für nördlich und einen für südlich des Äquators. Beide verhalten sich zwar unterschiedlich, sind aber synchron, sodass beide Halbkugeln eine einheitliche Zeitbasis haben können. Damit sind wir beim nächsten wichtigen Punkt, um zu verstehen, wie das mit der Sonnenbahn funktioniert: die Zeit. Der Nullmeridian – gleichzeitig die Datumsgrenze – läuft vom Nordpol über Greenwich zum Südpol. Dabei handelt es sich um einen Längengrad, während der Äquator aber ein Breitengrad ist. An einem bestimmten Punkt treffen sich diese beiden besonderen Bahnen um die Erde. „Ein mathematischer Punkt hat keine Ausdehnung“, so sagte meine Mathelehrerin immer. Deswegen tritt an eben diesem Punkt ein physikalischer Effekt zwar nicht praktisch in Erscheinung, wohl aber in der Theorie: die periglaziale Solifluktion. Am Schnittpunkt zwischen Nullmeridian und Äquator herrscht bei jeder Kulmination eine partielle Solifluktion, da an diesem Schnittpunkt der Einfluss der Jahreszeiten auf Erd- und Mondbahn ausgeglichen wird. Leider kann der Effekt nur rechnerisch bewiesen, nicht aber beobachtet werden. Trotzdem ruft genau dieser Effekt die oben schon erwähnte Corioliskraft hervor, ohne die das Wasser im Abfluss wohl ziemlich langweilig abfließen würde, ohne sich zu drehen.

Was bedeutet das alles jetzt aber für die scheinbare Bahn der Sonne auf der Südhalbkugel? Wir sind uns ja einig, dass die Sonne sich in Wirklichkeit nicht bewegt, sondern die Erde sich um die Sonne dreht. Es handelt sich also genau genommen nicht um die Bahn der Sonne, die wir beobachten. Die Position der Sonne ist fest und nur die Bewegung der Erde mit uns Beobachtern lässt den Eindruck entstehen, als bewege sich die Sonne. Durch den veränderten Bezugspunkt auf der Südhalbkugel verschieben sich demnach auch die Himmelsrichtungen, allerdings nur die sekundären, die „seitlichen“, also Ost und West. An Nord und Süd ändert sich nichts, sonst wäre der Nordpol nicht mehr im Norden und der Kompass würde plötzlich nach Süden zeigen.

Auf der Südhalbkugel verläuft die Sonne also – zumindest theoretisch – entgegengesetzt wie auf der Nordhalbkugel: Sie geht im Westen auf und im Osten unter. Da sich aber die primären Himmelsrichtungen eben nicht ändern (siehe letzter Abschnitt) und am Äquator die Neigung der Erdachse und die hohe Winkelgeschwindigkeit besonders starke Zentripetalkräfte hervorrufen, verläuft sie anders als bei uns zu Hause über Norden von Westen nach Osten und nicht über Süden.

Wir sind aber noch nicht ganz fertig, denn die Betrachtung wäre nicht korrekt, wenn wir die Entfernung der Sonne zur Erde übers Jahr hinweg außer Acht ließen. Es ist bekannt, dass die Erde sich nicht auf einer Kreisbahn um die Sonne bewegt, sondern in einer Ellipsenform, wenngleich die beiden Brennpunkte der Ellipse, in kosmischen Maßstäben, nicht sehr weit voneinander entfernt liegen. Trotzdem gibt es eine Zeit, wo die Sonne weiter entfernt ist von der Erde (Aphel) und eine Zeit, wo sie näher an der Erde ist (Perihel). „Zeit“ ist hier nicht von astronomischer Dimension, sondern bedeutet, dass sich die Erde bei jeder Umrundung der Sonne – also ungefähr alle 29,5 Tage – genau ein Mal im Perihel und ein Mal im Aphel befindet.

Diese Tatsache ist sowohl für die Jahreszeiten auf der Erde verantwortlich als auch für den Tidenhub (Ebbe und Flut), wobei bei Letzterem auch die Gravitation des Mondes noch ein Wörtchen mitzureden hat, was für unseren Sonnenverlauf aber nicht relevant ist. Um den Effekt von Sonnennähe und Sonnenferne auszugleichen, wurden vor ein paar Jahrhunderten die Zeitzonen eingeführt, die sich an Längengraden und sinnvollerweise oft auch an Landesgrenzen orientieren, also von Nord nach Süd verlaufen. Dadurch wird – künstlich und von Menschenhand gemacht – sichergestellt, dass die Jahreszeiten auf Nord- und Südhalbkugel genau um ein halbes Jahr versetzt sind und nicht völlig willkürlich jeder Kontinent und jedes Land seine eigenen Jahreszeiten hat. Für uns in Deutschland hat das einen praktischen Vorteil: Wir können es im Sommer bei uns zu Hause schön warm haben und dem ungemütlichen Nordhalbkugel-Winter entfliehen, indem wir in wenigen Stunden in den warmen Südhalbkugel-Sommer fliegen.

Zusätzlich zu Jahreszeiten und Tidenhub beeinflusst dieses System aber auch – ganz hinterhältig und um-die-Ecke-denkend – die wichtigen Bezugspunkte: Wenn wir uns vorstellen, auf dem Äquator westwärts zu spazieren („nach links“) und den Kopf nach rechts drehen, sehen wir (die Erdkrümmung mal außen vor gelassen), in weiter Ferne den Nordpol. Auf der linken Seite ist der Südpol. Drehen wir unsere Spaziergangsrichtung um (nach Osten), ändern sich auch rechts und links, wenn wir Nord- bzw. Südpol sehen wollen. Damit dies nicht nur direkt auf dem Äquator gilt, sondern auch auf jedem beliebigen Breitengrad nördlich oder südlich davon, wäre es auch völlig unlogisch, wenn die Sonne auf der Südhalbkugel nicht im Osten aufginge oder der Kompass auf der Südhalbkugel nicht nach Norden zeigte.

Fazit: Die Sonne geht überall auf der Erde so auf und so unter, wie wir es auch zu Hause kennen: Von Osten nach Westen. Auf der Nordhalbkugel steht sie im Zenit im Süden, auf der Südhalbkugel aber im Norden.

Liebe Ute, ist deine Frage damit abschließend geklärt? Wie geht es unseren Lesern? Konntet ihr durch eure eigenen Beobachtungen untermauern, dass es so ist? Wir freuen uns auf euer Feedback!