„Wie könnt ihr denn nach zwei Weltreisen so eine Frage stellen?“, hören wir euch schon fragen! Ihr dürft uns aber glauben, dass es sich mit der Freude und dem Glück auf einer Weltreise ganz anders verhält, als ihr bisher vermutet habt.

Vorfreude, Unterwegsfreude und Nachfreude

Vorfreude kennt jeder: Vorfreude auf den Feierabend, aufs Wochenende oder auf den Sommerurlaub. Oder auf das Wiedersehen mit alten Freunden. Die Vorfreude ist meist viel größer als die Freude darüber, worauf man sich eigentlich die ganze Zeit freut. Und über die Nachfreude wollen wir gar nicht sprechen, weil man allzu schnell wieder vergisst, worauf man sich einmal gefreut und woran man sich dann tatsächlich erfreut hat.

In Bezug auf eine Weltreise verhält sich das ein bisschen anders. Wir sprechen von Unterwegsfreude und meinen damit die Zeit unterwegs, während man sich nicht auf etwas freut oder sich an etwas erinnert, sondern in der man tatsächlich erlebt, worauf man sich so lange gefreut hat. Da dieser Zeitraum – verglichen mit dem Feierabend oder dem Sommerurlaub – unendlich lang erscheint, könnte man doch meinen, dass die Unterwegsfreude mindestens so intensiv sein muss wie die Vorfreude. Und wenn eine Weltreise dann vorbei ist, geht die Nachfreude unter im Alltag, der einen allzu schnell wieder eingeholt hat.

Über dieses Thema haben wir uns viele Gedanken gemacht. Viel mehr Gedanken als diejenigen, die nicht reisen und die zu Hause einfach nur funktionieren. Routine und Alltag, jeden Tag. Nicht bei uns. Wir haben alle 3 Arten der Freude auf unseren beiden Weltreisen intensiv und für lange Zeit erlebt. Dabei haben wir festgestellt, dass ausgerechnet die wichtigste Freude, die Unterwegsfreude, am schwierigsten zu genießen ist. Warum ist das so? Was kann man dagegen tun? Ist es überhaupt schlimm, dass es so ist? Diesen Fragen wollen wir nachgehen und euch beschreiben, was in uns vorgegangen ist. Vor, während und nach der Reise.

Die Vorfreude? Verleiht Flügel!

Schon bei der Suche im Internet nach Zitaten zu Vorfreude und Nachfreude bin ich verwirrt. Was sagt denn der Volksmund jetzt, welche der beiden Freuden die schönere ist? Offenbar ist man sich gar nicht so sicher. Unsere Vorfreude, vor allem die auf die erste Weltreise, war jedenfalls majestätisch groß. Es war eine Freude auf das Ungewisse, auf etwas Unvorstellbares, was kaum jemand aus unserem Bekanntenkreis schon einmal gemacht hat. Die Vorfreude auf unseren großen Traum, eine einjährige Weltreise. Während der Zeit vor der Reise hat die Vorfreude wie von alleine dafür gesorgt, dass wir die kleinen und größeren Macken unserer Jobs überhaupt nicht mehr als störend empfunden haben. Dass jeder von uns sogar einen Nebenjob haben konnte, ohne dabei Stress zu empfinden. Während ich jedes Wochenende mit meiner Band unterwegs war, hat Marsi in einem Restaurant im Service gearbeitet. Das war nicht immer schön, aber der Gedanke an unseren Traum machte es erträglich.

Die Zeit von unserem festen Entschluss, eine Weltreise zu machen bis zum Start dauerte etwas mehr als 2 Jahre. Während dieser Zeit konnten wir nebenher unsere komplette Reise planen, unser Budget zusammensparen, uns um Untervermietung kümmern, unser Weltreise-Blog starten und alles erledigen, was sonst noch anfiel. Ganz nebenbei haben wir noch geheiratet und waren ein paar Mal im Urlaub. Während dieser 2 Jahre Planungszeit verging die gefühlte Zeit angenehm schnell, gegen Ende ist sie sogar so sehr gerast, dass es für ein paar Tage richtig hektisch wurde.

Auch vor unserer zweiten Weltreise konnten wir diese Erfahrung machen. Bereits 10 Monate vor der Abreise waren wir beide in Elternzeit, wir hatten immer genug zu tun mit dem Relaunch unseres Blogs, mit der Reiseplanung, der Flugbuchung und der allgemeinen Reiseorganisation. Die meiste Zeit haben wir aber mit unserem Sohn verbracht, denn schließlich ist Elternzeit kein Urlaub.

Die Vorfreude auf eine Weltreise ist eine wunderbare Sache. Vor allem weil man gar nicht so recht weiß, worauf man sich eigentlich freut, kann man diese Zeit besonders genießen.

Die Unterwegsfreude? Bleibt auf der Strecke.

12 Monate auf der ersten Weltreise, 7 Monate auf der zweiten. Jeden Tag ausschlafen, die grenzenlose Freiheit genießen. Nur das tun, wonach einem gerade der Sinn steht. Nicht an morgen denken und schon gar nicht an zu Hause. So stellen sich viele eine Weltreise vor. Die Realität sieht anders aus. Nur allzu oft erklären wir unseren Freunden zu Hause den Unterschied zwischen Urlaub und Reise.

Wir mussten uns jeden Tag um Dinge kümmern, an die wir bei der Planung nicht einmal gedacht hatten. Essen und Trinken, Unterkünfte, Sightseeing und Fotos, das ist noch offensichtlich. Bankgeschäfte, Gepäck aus- und einpacken, unser Blog mit Inhalten füllen, Flüge buchen und Spanisch lernen schon nicht mehr. Wir hatten so viel zu tun, dass wir uns während der Reise manchmal sogar selbst einen Urlaubstag verordnen mussten.

Auf unserer zweiten Weltreise war immer mindestens eine(r) mit unserem einjährigen Sohn Darian beschäftigt, wir konnten also nur mit halber Kraft die Dinge erledigen, die wir auf der ersten Reise noch locker zu zweit abgearbeitet haben. Und schließlich gehen wir ja nicht auf eine Weltreise mit unserem Sohn, damit er immer nur von einem Elternteil etwas hat. Meistens haben wir uns doch zusammen um ihn gekümmert.

Wir waren 2014 auf der zweiten Reise über 4 Monate im Campervan unterwegs, in Australien, Tasmanien und Neuseeland. Nach einer anfänglichen Eingewöhnung stellte sich hier sogar so etwas ein wie Reisealltag. Eine Routine, fernab vom langweiligen Alltag zu Hause, aber immerhin eine Routine. Das kommt immer dann, wenn eine Gewohnheit entsteht: Für ein paar Wochen derselbe Ort, dieselbe Unterkunft oder dieselbe Umgebung.

Taj Mahal, Potala Palace, Sydney Opera House, Milford Sound, Machu Picchu, Salar de Uyuni und wie sie alle heißen, die großen bekannten Sehenswürdigkeiten unserer Welt – wir haben sie gesehen. Viele zumindest. Das Thai Food an der Straßenecke in Bangkok oder ein argentinisches Rindersteak in einer Parilla in Buenos Aires – wir haben immer fantastisch gegessen. Aber konnten wir das alles auch genießen? So sehr genießen, dass es der majestätischen Vorfreude gerecht wurde?

Die ehrliche und ernüchternde Antwort ist: Nein, das konnten wir nicht. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis wir die Gründe dafür erkannt haben. Auch in der grenzenlosen Freiheit einer Weltreise ist immer etwas zu tun. Viele Aufgaben haben wir uns selbst gestellt, und einige davon hätten wir wirklich nicht erledigen müssen. Ein gutes Beispiel ist unser Weltreise-Blog, das wir von unterwegs aus mit Beiträgen und Fotos gefüllt haben. In jeder freien Minute haben wir uns um die Inhalte gekümmert. Aber verlangt hat es keiner von uns, außer wir selbst. Vielleicht hätten wir ohne das Blog unsere Reisen mehr genießen können.

Manchmal hätten wir uns eine Reiseleitung gewünscht. Wie bei einer Pauschalreise nach Gran Canaria. Jemanden, den wir auch mal zur Sau machen können, wenn eine Unterkunft mal wieder überhaupt nicht der Beschreibung entspricht und ihr Geld nicht wert ist. Stattdessen kümmerten wir uns um alles selbst. Wenn ein Zimmer nicht gut war, hätten wir wohl besser noch länger nach einer Alternative suchen sollen. Wenn das Essen nicht geschmeckt hat, hätten wir ja auch in ein teureres Restaurant gehen können. Ewig lange Busfahrten in Südamerika? Wir hätten ja auch den Flieger nehmen können.

Nach kürzester Zeit auf einer Reise (wir reden wieder nicht von einem Urlaub) stellt sich eine Reizüberflutung ein, wie man sie von zu Hause nicht ansatzweise kennt. Der interne Speicher ist stets bis obenhin gefüllt, einen Ausgang gibt es nicht. Unaufhörlich kommen neue Eindrücke dazu, die alten aber verschwinden nicht.

Viel zu selten überkam mich während der beiden Reisen dieses ganz besondere Kribbeln, das mir signalisierte, dass ich mir genau in diesem Moment einen Traum erfüllte. Auf der Großen Mauer, im Everest Base Camp und beim Himalaya-Rundflug und noch bei einer Handvoll anderer Highlights. Eigentlich hätte ich dieses Gefühl täglich haben müssen, oft sogar mehrmals am Tag. Aber dafür war gar kein Platz bei der Unmenge an Eindrücken, denen wir unaufhörlich ausgesetzt waren.

Kann man einen Moment genießen, indem man sich einredet, dass man ihn genießen muss? Weil man so lange darauf gewartet, dafür gespart und sich darauf gefreut hat? Ich habe es probiert, es klappt nicht. Das Traumerfüllungs-Kribbeln lässt sich nicht künstlich herbeiführen, es kommt oder es kommt nicht. Meistens kommt es nicht.

Die Unterwegsfreude ist eine ganz eigenartige Freude. Schwer zu fassen, kaum zu begreifen und unmöglich zu erzwingen. Und doch ist sie von größter Wichtigkeit.

Die Nachfreude? Kommt spät aber gewaltig.

Schon zweimal mussten wir uns nach einer mehrmonatigen Reise wieder an das Leben in der Heimat gewöhnen. Die gute alte Heimat, auf die wir uns am Ende sogar ein kleines bisschen gefreut hatten. Es kam uns vor, als hätten wir uns durch unsere Reisen weiterentwickelt, während zu Hause alles im Stillstand gewesen war. Wohin mit unseren Eindrücken? Mit dem Erlebnissen und Erfahrungen? Erzählen konnten wir es kaum jemandem. Ein paar lustige Geschichten von unterwegs gaben wir hier und da zum Besten, aber von unserem Weltreise-Gefühl wollte niemand etwas wissen. Nach der Unterwegsfreude fragte keiner.

War’s das jetzt? Die ganze Reise schon wieder vorbei? Und nicht mal richtig genießen konnten wir die Zeit? Es sind wohl genau diese Fragen, die während der Monate nach einer langen Reise dafür sorgen, dass man die Erlebnisse erst einmal verdrängt. Aber irgendwann holt einen die Nachfreude ein. Und zwar gewaltig.

1988 kam eine Platte auf dem Markt, die heute vermutlich niemand mehr kennt. „Long Cold Winter“ hieß sie, die zweite Scheibe der Glamrocker von Cinderella. Man muss die Jungs nicht mögen, aber es gibt auf dieser Platte einen Titel, der wie kein anderer beschreibt, was der Auslöser für diese Nachfreude ist. „Don’t Know What You Got Till It’s Gone“ heißt dieser Titel, natürlich geht es in dem Song eigentlich um eine Liebesgeschichte.

Auf die bis dahin verdrängten Erlebnisse unserer Weltreise angewendet, lässt sich dieser Titel aber auch ganz anders deuten. Plötzlich ergibt es einen Sinn, dass die Unterwegsfreude eigentlich gar keine richtige Freude war, dass wir uns nicht selbst zum Genießen überreden konnten und dass das Traumerfüllungs-Kribbeln so oft auf sich warten ließ. Man muss Erlebnisse und Eindrücke einfach mitnehmen, genießen hin oder her. Einfach machen, ganz egal, was man dabei fühlt. Man darf sich schon gar nicht darüber wundern, warum man keine oder zu wenig Unterwegsfreude empfindet.

Nach den Reisen holte es uns ein, viele Monate nach der Rückkehr. Plötzlich wussten wir, was wir erlebt und wofür wir während der Reise gelebt hatten. Es kam in dem Moment, wo uns klar wurde, dass wir etwas nicht mehr haben. Dass wir nicht mehr an unserem Lieblingsort in Neuseeland waren und dass unser Ausflug zum schönsten Strand der Welt in Tasmanien vorbei war. Und dass wir diese einmaligen Momente nie wieder so erleben können, wie wir sie unterwegs erlebt hatten.

Ohne die ausgebliebene Unterwegsfreude gibt es keine Nachfreude. Schon gar keine so gewaltige, wie man sie nach einer Weltreise erlebt.

Wir gehen also auf eine Weltreise, freuen uns vorher wie verrückt auf die Abreise, erleben die Reise selbst relativ nüchtern und begreifen erst Monate später zu Hause, was wir da eigentlich gemacht haben? So war es zumindest bei uns, mit beiden Reisen. Wir haben uns damit abgefunden, dass das Verhältnis von Vorfreude, Unterwegsfreude und Nachfreude nun mal so ist. Und das ist gut so: Was die Nachfreude nämlich so unglaublich charmant macht, ist die Tatsache, dass sie das restliche Leben lang anhält, während Vor- und Unterwegsfreude ein definiertes Ende haben.

Auf Reisen gleichen wir einem Film, der belichtet wird. Entwickeln wird ihn die Erinnerung.

Dieses wunderschöne Zitat von Max Frisch trifft es auf den Kopf.

Fotos oder keine Fotos?

Wir haben auf unseren Weltreisen viel Zeit mit Foto- und Videoaufnahmen verbracht. Hätten wir die Unterwegsfreude nicht einfach steigern können, wenn wir uns weniger darauf konzentriert hätten? Einfach nur den Moment genießen und die Bilder im Gedächtnis speichern statt in der Kamera?

Wir sind uns sicher, dass das nicht funktioniert hätte. Das bisschen Zeit, das wir uns dadurch gespart hätten, ist winzig im Vergleich zu der Zeit, die wir jetzt mit Erinnerungen an unsere Reisen verbringen. Und genau da kommen die Fotos ins Spiel. Statt einen bestimmten Moment oder ein Reiseziel auf das zu reduzieren, was wir fotografiert haben, geben uns die Fotos einen Impuls, der unsere Erinnerungen erwachen lässt. Diese Erinnerungen sind so lebendig, dass wir uns manchmal wundern, wie viele Details auch nach Jahren noch präsent sind.

Dabei sind es gar nicht die eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen oder die schönen Porträts mit der Festbrennweite, die uns besonders berühren. Wenn wir auf einem Foto entdecken, was es in Australien zum Frühstück gab und welche Brotsorte wir am liebsten gegessen haben, dass die violetten Abfalltüten nach Lavendel gerochen haben, mit welchen Menschen wir viel Zeit verbracht haben und wie wir selbst damals ausgesehen haben, dann sind das genau die Fotos, auf die wir keinesfalls verzichten wollen.

Auch für unser Tagebuch und unser Blog gilt: Ohne diese Gedächtnisstützen würden wir vieles viel zu schnell vergessen. Unsere Erlebnisse sind es nicht wert, vergessen zu werden. Oft lesen wir unsere eigenen Blogartikel durch, schütteln ungläubig den Kopf und fragen uns, ob wir das wirklich alles erlebt haben.

Macht eine Weltreise glücklich?

Sicherlich könnt ihr euch denken, wie die Antwort lautet: Natürlich macht eine Weltreise glücklich. Aber nicht so, wie man es erwarten würde. Das Glück entsteht nicht vor und schon gar nicht während der Reise. Auch wir mussten uns daran erst gewöhnen.

Das Glück entsteht erst durch die Nachfreude. Dafür ist dieses Glück für die Ewigkeit.

Überall begegnen uns jetzt Erinnerungen an unsere Reisen: Es sind nicht nur die eingerahmten Fotos an der Wand und die Souvenirs im Wohnzimmer. Täglich erreichen uns E-Mails mit Fragen von anderen Reisenden oder Kommentare zu unseren Beiträgen im Blog. Unser Kleiderschrank ist voll mit Andenken an ferne Länder. Auf unseren Computern haben wir unsere schönsten Fotos als Desktop-Hintergrundbilder installiert.

Unsere Weltreisen sind ein Teil von uns geworden, sie sind immer präsent und unvergesslich. Durch die Erkenntnis, wie wichtig die Nachfreude ist, haben wir auch unseren Frieden mit der Vor- und der Unterwegsfreude geschlossen. Denn alle sind wichtig, damit am Schluss das übrig bleibt, wofür es sich lohnt zu leben: Das unbeschreibliche Glück, das uns das restliche Leben begleiten wird.

Wenn wir unsere Fotos anschauen, wird uns schnell klar: Diese Momente waren einzigartig und werden so nie wieder kommen. Wir haben eine kleine Best-of-Auswahl für euch zusammengestellt: