Nach 3 Wochen in Cusco treffen wir Jule wieder, die uns zuletzt vor über einem halben Jahr auf der anderen Seite der Erde in Indien besucht hat. Mit ihr zusammen wollen wir Perus wichtigste Sehenswürdigkeit Machu Picchu sehen. Die Inka-Ruine ist von Cusco aus in einem Tagesausflug erreichbar, viele verbringen eine Nacht im nahegelegenen Städtchen Aguas Calientes. Wir entscheiden uns für einen langen Trek abseits der Touristenströme, erst am vorletzten unserer 9 Tage werden wir Aguas Calientes erreichen, besichtigen am letzten Tag Machu Picchu und fahren am Abend zurück nach Cusco.
Wir wollen den Choquequirao-Trek gehen, von Cachora bis Machu Picchu. Unterwegs gibt es weder Strom noch fließendes Wasser und nur wenige Dörfer. An Komfort, Restaurants und Hostels ist nicht zu denken. Wir beauftragen also unseren Tourguide Livo (= Papa Cusco) mit der Organisation des kompletten Treks. Wir brauchen den Transfer von Cusco nach Cachora, das komplette Koch-Equipment inklusive Koch, Pferde mit Pferdeführern und eben alles, was man unterwegs normalerweise kaufen könnte. Ein paar Kilometer der langen Strecke werden wir mit dem Bus zurücklegen, die gut 100 km von Machu Picchu nach Cusco zurück fahren wir mit dem Zug.
Wir wissen gar nicht so genau, worauf wir uns einlassen, denn der Trek wird als „schwierig“ eingestuft und wir müssen immerhin einen Pass mit 4.600 m Höhe überqueren, wo manchen zu Hause in Deutschland schon beim Gedanken daran die Luft wegbleibt. Wir wollen euch Tag für Tag beschreiben, was wir auf dem 9-tägigen Trek alles erlebt haben. Wir geben euch außerdem die Marschzeit jedes Tags an, vom Verlassen des Camps am Morgen bis zum Erreichen des nächsten Camps am Nachmittag oder Abend, die Zeiten sind also inklusive Pausen.
Tag 1 (Sonntag) • Laufzeit: 5:15 h
Noch sind wir in Cusco in unserem Hostel Mamma Cusco. Um kurz nach 4:00 Uhr stehen wir auf, wir haben gerade noch genug Zeit für einen kurzen Kaffee. Unsere großen Rucksäcke lassen wir während des Treks im Hostel, nur unsere Daypacks nehmen wir mit. Von unserem Guide Livo haben wir stabile Taschen bekommen, in denen wir am Vorabend alles andere Gepäck verstaut haben, das wir unterwegs brauchen werden. Um 5:30 Uhr fahren wir los, wir verlassen Cusco und fahren aufs Land. An Schlaf ist nicht zu denken, denn die Straße ist viel zu kurvig.
Nach 4 Stunden Fahrt erreichen wir Cachora, den Startpunkt unseres Treks. Hier kocht uns Livo ein Mittagessen, während unser Gepäck auf die Pferde verladen wird. Genau genommen sind es keine Pferde, sondern Maultiere (Mulis), eine Mischung aus Pferd und Esel. Statt der geplanten 2 Mulis fürs Gepäck und einem Notfallpferd mit Sattel haben wir jetzt 4 Mulis, die alle mit Equipment voll beladen sind. Sie tragen neben unserem Gepäck auch die Zelte, Thermarest-Matratzen, Schlafsäcke, eine mobile Küche und das komplette Essen für die nächste Woche. Wir sind zu siebt in unserer Tour: Marsi, Jule und ich, unser Tourguide und Organisator Livo, die Pferdeführer Vicente und Roger, am Abend wird Koch Javier zu uns stoßen.
Gegen 13:00 Uhr verlassen wir Cachora zu Fuß und laufen zuerst ein kleines Stück nach unten, überqueren einen Fluss und gehen 2 Stunden lang im kühlen Schatten leicht aufwärts. Wir machen eine kurze Pause und beginnen den Abstieg auf der Westseite des Bergs. Jetzt knallt uns die Nachmittagssonne erbarmungslos ins Gesicht und wir werden von oben bis unten eingestaubt, denn der Weg besteht eigentlich nur aus Staub und der Wind ist hier deutlich stärker als auf der anderen Bergseite.
Nach 19 km erreichen wir unsere Campsite für diese Nacht. Wir sehen bei anderen Gruppen Porzellangeschirr und Köche mit weißen Mützen, ganz so nobel geht es bei uns aber nicht zu. Wir treffen unseren Koch Javier, der uns ein leckeres Abendessen im Küchenzelt zaubert. Im Dunkeln machen wir Bekanntschaft mit unserer ersten eiskalten Dusche, Ich gehe zuerst und bemerke viel zu spät, dass die Batterien meiner Taschenlampe nicht mehr die frischesten sind, immerhin bleibt mir dadurch der Blick auf den Ursprungs des Gestanks in der Dusche erspart: Es ist die Toilette gleich nebenan, keine 2 Schritte entfernt, die bestimmt in diesem Jahrhundert noch nicht geputzt wurde.
In Cusco haben wir uns aufblasbare Thermarest-Matratzen ausgeliehen, die wir zusätzlich zu den normalen Isomatten verwenden. Wir gehen früh ins Bett und bemerken schnell, wie wichtig die Thermarests sind, denn auf den dünnen Isomatten alleine wäre an Schlaf kaum zu denken.
Tag 2 (Montag) • Laufzeit: 9:00 h
Schon um 4:30 Uhr werden wir unfreiwillig von den Teilnehmern der anderen Gruppen geweckt, die auch auf unserer Campsite übernachten. Wir drücken uns noch eine halbe Stunde im warmen Schlafsack herum, stehen auf, ziehen uns an und packen alles aus dem Zelt wieder in die großen Taschen, die auf die Mulis verladen werden. Während des Frühstücks bauen unsere Pferdeführer Vicente und Roger unsere Zelte ab, verstauen sie in Säcken und laden sie auf die Mulis.
Nach 2 Stunden steilem und staubigem Abstieg erreichen wir einen großen Fluss, eine Hängebrücke führt uns auf die andere Seite. Schon während des Abstiegs haben wir den Weg gesehen, der auf der anderen Seite nach oben führt. Eine Stunde können wir noch im Schatten nach oben laufen, dann schafft es die Sonne über die vielen Gipfel um uns herum. Zwei weitere Stunden laufen wir im Zick-Zack den steilen Berg hinauf, in der warmen Sonne fällt es uns deutlich schwerer als früh morgens. Javier kocht uns ein Mittagessen, als Vorspeise gibt es Brot mit frischer Avocado-Chirimoya-Crème.
Wir machen erstmals Bekanntschaft mit den größten und gleichzeitig kleinsten Feinden unserer Woche im Hinterland Perus, die uns bis Cusco begleiten werden: Sandfliegen. Überall Sandfliegen! Dieses Mal sind sie zwar deutlich größer als in Neuseeland und wir haben eine echte Chance, sie zu erlegen, aber wenn sie einen doch erwischen, jucken die Stiche unglaublich und verschwinden erst nach über einer Woche wieder.
Wir laufen noch knappe 2 Stunden weiter bis zur Campsite direkt unterhalb der Inka-Ruinen von Choquequirao. Die Dusche ist noch viel kälter als gestern, dafür sauber und richtig erfrischend.
Tag 3 (Dienstag) • Laufzeit: 6:30 h
Unser Koch Javier weckt uns um 6:30 Uhr mit einem frischen Coca-Tee, den er uns ans Zelt bringt. Coca-Tee ist wie ein Nationalgetränk in Südamerika, für guten Geschmack braucht es nicht mehr als heißes Wasser und eine Handvoll getrockneter Coca-Blätter. Natürlich wird auch Kokain aus diesen Pflanzen hergestellt, der Tee hat aber keinerlei berauschende Wirkung.
Wir steigen eine Stunde zu den Ruinen von Choquequirao auf, das Wetter ist wie jeden Tag perfekt und angenehm warm. Das gut erhaltene Inka-Dorf Choquequirao wurde 1909 wiederentdeckt, Machu Picchu hingegen erst 2 Jahre später. Beide waren viele Jahrhunderte lang nur den Einheimischen bekannt. Während zu Machu Picchu eine Eisenbahnlinie führt und jeden Tag Tausende Besucher einen Ausflug dorthin machen, muss man sich Choquequirao richtig verdienen. Es gibt keine Straßen, keinen Flughafen oder Bahnhof. Hierher kommt man zu Fuß oder eben gar nicht. Wir besichtigen die beeindruckende Plattform auf dem Gipfel des Bergs, die früher eine religiöse Bedeutung hatte. Während wir in der Sonne liegend auf unseren Koch warten, attackieren uns Sandfliegen an allen Stellen, an denen wir nicht ausreichend Mückenschutz aufgetragen haben.
Doch unser Koch kommt leider nicht, wir steigen also weiter auf und treffen unsere Gruppe auf einem kleinen Felsvorsprung, wo wir Javiers leckeres Mittagessen serviert bekommen. Bereits von hier aus sehen wir etwas, das unser Zeltplatz für die nächste Nacht sein könnte. Der Weg zieht sich aber wie ein Hubba-Bubba Erdbeer, wir erreichen die Campsite erst kurz vor 16:00 Uhr nach einem enorm staubigen und steilen Abstieg.
Unser Team empfängt uns wie immer mit aufgebauten Zelten, es weht uns beißender Rauch ins Gesicht. Er soll die Sandfliegen abhalten, denn davon gibt es hier noch viel mehr als bisher. Keine 100 m entfernt sind bestens erhaltene Inka-Terrassen. Über viele Wasserrinnen wurde eine Quelle so kanalisiert, sodass ihr Wasser in der Mitte der Terrassen aus den Steinen fließt. Hier haben wir die weltbeste Dusche, denn Aussicht und Ambiente sind so einzigartig, dass uns das eisig kalte Wasser kaum stört.
Glücklicherweise verschwinden mit Einbruch der Dunkelheit auch die Sandfliegen, wir können nach dem Abendessen den atemberaubenden Sternenhimmel genießen. Wir sind so weit abseits von Dörfern oder Städten, dass kein künstliches Licht den Blick nach oben stört.
Tag 4 (Mittwoch) • Laufzeit: 4:30 h
Um 3:30 Uhr wache ich auf und höre unsere Pferdeführer rufen. Danach rennen unsere Maultiere dicht am Zelt vorbei zurück zu dem Platz, wo sie die bisherige Nacht verbracht hatten. Beim Frühstück zum Sonnenaufgang erfahren wir, dass wohl ein Bär im Camp gewesen war, der die Mulis erschreckt hatte, worauf sie ihrem Instinkt als Fluchttiere gefolgt waren.
Wir laufen schon um 7:00 Uhr los, zuerst geht es steil nach unten zu einem kleinen Fluss. Inzwischen haben wir uns angewöhnt, die Regenschutzhüllen unserer Rucksäcke ständig zu benutzen, um den feinen Staub vom Rucksackinhalt wenigstens ein bisschen fernzuhalten.
Die nächsten 3 Stunden laufen wir steil nach oben, immer im Zick-Zack den Bergrücken entlang. Ich laufe voraus und mache nur eine kurze Pause, um Sonnencreme und Mückenschutz aufzutragen. Der Weg ist unglaublich anstrengend, in erster Linie natürlich körperlich, aber auch die Lust schwindet mit jeder Kurve, hinter der sich wieder nur ein steiler Weg bis zur nächsten Kurve zeigt. Kein einziger Meter während des Aufstiegs ist flach oder geht gar abwärts, sodass man sich kurz erholen könnte.
Kurz vor Mittag treffen auch Jule und Marsi an der Campsite ein, ich habe schon eine ganze Weile gewartet. Hier gibt es einen kleinen Shop, eine Bewohnerin verkauft Getränke. Kaum vorstellbar, wie gut eine einfache Coke nach so einer Qual schmecken kann.
Jule geht es heute gar nicht gut, sie ist die letzten Kilometer bis zur Campsite auf einem der Mulis geritten. Ob es ein leichter Sonnenstich ist oder die Anstrengung des Aufstiegs, ob sie zu viele Sandfliegenbisse hat oder ob sie sich noch nicht an die Höhe gewöhnt hat, wissen wir nicht. Wir verbringen einen gemütlichen Nachmittag und nach dem Abendessen geht es ihr schon wieder besser.
Tag 5 (Donnerstag) • Laufzeit: 7:00 h
Es wird Zeit, dass ihr die Wahrheit über das morgendliche Krähen peruanischer Hähne erfahrt. Wenn ihr, wie ich, bisher der Meinung wart, dass ein Hahn morgens bei Sonnenaufgang ein Mal kräht und danach Ruhe ist, habt ihr euch getäuscht. Die peruanischen Hähne krähen ab 4:00 Uhr, von Sonnenaufgang ist um diese Zeit noch gar keine Rede. Sie krähen fast ununterbrochen. Fast ironisch erscheint uns Javiers Weckruf „Buenos dias!“ um 6:00 Uhr, denn wir sind schon seit 2 Stunden wach und überlegen, auf wie viele Arten Javier wohl am Abend den am lautesten krähenden Hahn zubereiten könnte.
Immer wieder treffen wir während der ersten Hälfte unseres Treks eine große Gruppe aus Holland, in der letzten Nacht war sie auf derselben Campsite. Etwas unterhalb unseres Zelts ist ein geräumiges Toilettenzelt für alle aufgebaut. Das tiefe, rechteckige Loch im Boden ist wirklich groß genug und kaum zu verfehlen, könnte man meinen. Jemand aus der holländischen Gruppe hat Durchfall und HAT das Loch verfehlt. Lediglich die gelb-grünen Spritzer an der gut 1 m entfernten Zeltwand, die Marsi gesehen haben will, können Jule und ich auch nach genauem Hinsehen nicht bestätigen. Die anderen Spuren direkt um das Loch lassen aber keine Zweifel zu.
Heute wird ein harter Tag, das hat uns unser Guide Livo bereits angekündigt. Wir müssen einen Pass mit 4.200 m Höhe überqueren, jetzt geht es an den Aufstieg. Um 8:00 Uhr gehen wir los, ich laufe voraus und überhole die meisten der wenigen anderen Gruppen, die heute unterwegs sind. Der Weg liegt anfangs im Wald und ist matschig, erst nach dem Überschreiten der Baumgrenze wird er sonnig und trocken. Auch Jule und Marsi laufen erstaunlich schnell, sie erreichen den Victoria Pass nur eine halbe Stunde nach mir. Knapp 4 Stunden nur aufwärts laufen ist anstrengend genug, aber bei über 4.000 m wünscht man sich eigentlich nur noch ein Sauerstoffzelt am Gipfel.
Stattdessen erwartet uns ein fantastischer Ausblick auf die andere Seite des Bergs, hier sehen wir viele schneebedeckte Gipfel und ewig weite Täler. Eine kurze Pause später laufen wir weiter, vorbei an vielen uralten Silberminen, es geht wieder nach unten. Wir sehen Yanama, unser Ziel für heute, aber das Dorf will einfach nicht näher kommen. Kurz vor dem Ziel tritt Marsi ungünstig auf und knickt mit dem linken Knöchel nach innen um. Etwas Ernstes scheint es nicht zu sein, trotzdem hat sie starke Schmerzen.
Erst um 15:00 Uhr erreichen wir die Campsite, auch hier gibt es einen kleinen Shop mit Getränken und Süßigkeiten. Wir liegen den restlichen Nachmittag in der Sonne, essen zu Abend und liegen wie fast jeden Abend um 19:30 Uhr im Zelt.
Tag 6 (Freitag) • Laufzeit: 9:00 h
Am Vorabend haben wir ein Paar Socken gewaschen und zum Trocknen auf die Leine neben dem Zelt gehängt. Als wir um 5:30 Uhr aufstehen, sind die Socken gefroren. Laut unserem Guide Livo waren es in der Nacht -10°C. Das erklärt auch schnell, warum wir trotz zusätzlicher Decken ordentlich gefroren haben.
Marsi lässt sich vom medizinisch gut ausgerüsteten Guide der holländischen Durchfall-Gruppe einen Tapeverband um den Fuß anlegen und läuft heute wieder erstaunlich gut und fast ohne Schmerzen. Kurz vor 8 Uhr verlassen wir Yanama und gehen durch das weite Tal am Fluss entlang hinauf, immer mehr schneebedeckte Gipfel kommen zum Vorschein.
Schnell erreichen wir wieder die 4.200 m Höhe vom Vortag, aber heute müssen wir noch gute 400 Höhenmeter weiter nach oben. Wir sehen den mächtigen Gletscher rechts des Passes, den wir um 13:00 Uhr erreichen. Wir befinden uns jetzt auf über 4.600 m Höhe, das Aufwärtslaufen mit leichtem Gepäck ist so anstrengend wie noch nie. Alle paar Meter machen wir eine kurze Pause, ganz langsam nähern wir uns dem höchsten Pass unseres Treks. Immerhin haben wir uns während der Zeit in Cusco so gut an die Höhe gewöhnt, dass sich die Höhenkrankheit weder mit den sonst üblichen Kopfschmerzen noch mit Übelkeit bemerkbar macht.
Auf dem Pass weht ein schneidender Wind, neben uns sehen wir kleine Schneefelder. Wir tragen Mützen, Handschuhe, unsere Icebreaker-Wolljacken und darüber die Winter-Doppeljacken, sonst wäre die eisige Kälte unerträglich. Auf der anderen Seite des Passes haben wir einen Blick auf den 6.264 m hohen Salcantay, einen der höchsten Berge Perus. Der Weg nach unten erscheint uns fast schon lächerlich im Vergleich zu der Anstrengung beim Aufstieg. Beim Abstieg treffen wir unsere Gruppe wieder, unser Koch Javier serviert uns Mittagessen und frischen Coca-Tee, genau das können wir jetzt gut gebrauchen.
Wir laufen weitere 3 Stunden steil nach unten bis nach Totora, wo wir es gerade noch vor Sonnenuntergang schaffen, unser Zelt einzuräumen. Die letzten Kilometer laufen wir auf einer staubigen Straße, die es erst sein ein paar Monaten gibt. Bisher war Totora nur zu Fuß oder mit Pferden zu erreichen, nach dem Ausbau der Straße können auch Autos fahren. Für Marsis verstauchten Knöchel könnte es nicht besser sein, denn unser Guide bietet uns an, für den Weg zur nächsten Campsite am folgenden Tag Plätze in einem der Minibusse zu reservieren, die neuerdings auf der Straße fahren.
Zum letzten Abendessen mit unserer kompletten Gruppe gibt es eine leckere Suppe und Chicharones, fettiges aber wirklich gutes Schweinefleisch. Wir gehen spät ins Bett, es ist schon nach 21:00 Uhr, doch ein unaufhörlich bellender Hund hält uns noch eine ganze Weile vom Schlafen ab.
Tag 7 (Samstag) • Laufzeit: 0:00 h
Das versprochene Frühstück muss ausfallen, denn schon um 6:20 Uhr wartet ein Van auf uns, der Fahrer hat es offenbar sehr eilig. Roger, unser junger Pferdeführer, kommt mit uns und nimmt ein bisschen Equipment mit, um den Mulis später unnötiges Gepäck zu ersparen. Eigentlich hat der Van inklusive Fahrer nur 12 Sitzplätze, aber selbst mit 17 Personen ist es immer noch recht bequem. Die 3 Stunden im Van vergehen schnell, wir sind noch sehr müde. Dass wir stellenweise nur wenige Zentimeter am steilen Abgrund vorbeifahren, nehmen wir kaum wahr. Ein frischer Erdrutsch blockiert unseren Weg kurz vor dem Ziel, ein paar Mitfahrer steigen aus, werfen die störenden Steine ein paar Meter weiter nach unten und wir fahren weiter.
Die Zeit bis zur Ankunft unserer Gruppe verbringen wir im kleinen Örtchen Playa in der Sonne, es ist richtig heiß. Im T-Shirt können wir trotzdem nicht im Gras liegen, denn hier gibt es noch viel mehr Sandfliegen als an allen bisherigen Tagen zusammen. Da wir uns mit Mückenschutz eingesprüht haben, beißen sie uns zwar nicht, aber trotzdem verfolgen sie uns und schwirren hundertfach um unsere Köpfe.
Eine kalte Dusche später haben wir unser letztes Abendessen mit unseren Koch, unsere beiden Pferdeführer Vicente und Roger haben uns bereits am frühen Nachmittag verlassen, um den ganzen Weg zurück nach Cachora zu gehen. Die meiste Zeit essen wir bei Kerzenlicht, denn die Stromversorgung fällt alle paar Minuten aus.
Tag 8 (Sonntag) • Laufzeit: 2:30 h
Habe ich schon erwähnt, dass viele Hühner und Hähne frei auf unserem Zeltplatz in Playa herumlaufen? Nein? Gut, ihr könnt euch also vorstellen, von wem wir früh morgens geweckt werden. Heute werden wir uns auch von unserem Koch Javier trennen. Er wird das restliche Equipment und unser Gepäck mit zurück nach Cusco nehmen, denn wir brauchen für den nächsten Tag nur wenig.
Nach dem Frühstück wird das komplette Equipment auf wundersame Weise in 3 große Säcke zusammengeschrumpft, damit Javier überhaupt eine Chance hat, alles alleine zu transportieren. Ein Van holt uns ab, die Säcke kommen aufs Dach und wir fahren 1 Stunde lang zum Bahnhof in Santa Teresa, von wo aus Javier den Zug zurück nach Cusco nimmt.
Eine knappe Stunde später erreichen wir die Hydro Power Station, von hier aus müssen wir die letzten 10 km nach Aguas Calientes laufen. Der Weg ist schön, wir laufen an den Schienen entlang, die Aguas Calientes mit Cusco verbinden. Die kleine Stadt kommt uns hektisch vor, überall finden wir Restaurants, Cafés und Hotels, mittendurch fahren die lauten schweren Diesel-Loks und ziehen Waggons hinter sich her, um die Touristenscharen zu bewältigen. Aguas Calientes liegt eine halbe Autostunde von Machu Picchu entfernt. Hier übernachtet zwangsläufig jeder, der die berühmten Inka-Ruinen nicht nur in einer Tagestour besichtigen will.
Im Hotel Varayoc wartet ein großes sauberes Dreierzimmer auf uns, das wir mit Jule teilen. Die Dusche ist zwar nicht heiß, aber doch mindestens 20 Grad wärmer als alle Duschen der letzten Woche. Wir trinken einen echten italienischen Cappuccino, kaufen uns Bustickets zu Machu Picchu für den nächsten Tag und essen mit unserem Guide Livo zu Abend.
Wie ihr sicherlich wisst, trinken wir so gut wie keinen Alkohol. Aber an diesem Abend ist es so weit: Wir teilen uns eine 0,33er Cusqueña und kaufen uns danach im Supermarkt für jeden noch eine Flasche. Das Gefühl ist herrlich, wenn man sich nach nur einem halben Liter Bier fühlt wie auf Wolken.
Tag 9 (Montag) • Machu Picchu
Heute ist unser Machu-Picchu-Tag, der Abschluss unseres 9-tägigen Treks. Um 5:00 Uhr frühstücken wir schnell im Hotel und laufen ein paar Meter zur Busstation, hier hat sich bereits vor Sonnenaufgang eine lange Schlange gebildet. Die Busse kommen im Minutentakt, um 6:30 Uhr erreichen wir das Main Gate von Machu Picchu. Die Ruinen sehen wir noch nicht, dafür eine weitere lange Schlange. Eine halbe Stunde später haben wir das Gate passiert und hechten durch die Ruinen, denn wir haben Tickets für Huayna Pichu.
Sicherlich kennt jeder von euch ein Foto von Machu Picchu mit den Ruinen im Vordergrund und dem schön geformten Berg im Hintergrund. Dieser Berg heißt Huayna Pichu, auf seinem Gipfel befinden sich weitere Ruinen. Zwischen 7 und 9 Uhr dürfen 200 Besucher auf den Hügel klettern, weitere 200 zwischen 10 und 12 Uhr, alles ist streng reguliert. Ein paar Tage vor unserem Trek war es noch so, dass es keine Extra-Tickets für diesen Berg gab und die ersten 200 Besucher pro Zeitabschnitt hinaufgehen durften, die anderen hatten Pech. Zum Glück kann man jetzt Tickets für den Berg für einen der beiden Zeitabschnitte kaufen, zusätzlich zum Ticket für Machu Picchu. Dadurch werden die langen Schlangen und Drängeleien vor dem Berg vermieden und es geht deutlich entspannter zu.
Nach einer halben Stunde über steile Treppen und durch enge Höhlen stehen wir erschöpft auf dem Gipfel und haben einen sagenhaften Blick auf die komplette Anlage von Machu Picchu, die ein paar Hundert Meter unter uns liegt. Kurz vor 10:00 Uhr wartet Livo auf uns und führt uns 2 Stunden durch die Ruinen von Machu Picchu. Wir sehen die verschiedenen Tempel der über 500 Jahre alten Stadt, filigran bearbeitete Riesensteine, die gigantische Mauern bilden und unzählige Terrassen. Wir sind tief beeindruckt, auch wenn wir während unserer Reise schon viele Tempel und Ruinen gesehen haben. Wenn da nicht die vielen Touristen wären. Haben sich die Massen früh morgens noch auf die komplette Anlage verteilt, sind es jetzt viele Tausend Besucher, die sich mit ihren Guides durch die Ruinen zwängen.
Wir nehmen den Bus zurück nach Aguas Calientes, natürlich nicht, ohne uns wieder eine halbe Stunde lang anzustellen. Dort haben wir noch Zeit für ein Mittagessen, bis um 15:20 Uhr unser Zug Richtung Cusco abfährt. Wir erreichen Poroy gegen 19:00 Uhr, von dort bringt uns ein Van in einer halben Stunde zurück in die Innenstadt Cuscos zu unserem Hostel. Wir lassen den Abend bei einem leckeren indischen Dinner ausklingen und sind froh um die guten Matratzen im Hostel.
Kosten des Treks
Hier wollen wir euch einen Anhaltspunkt geben, wie viel man für den Trek und den Besuch von Machu Picchu ausgeben muss. Die Preise für den Trek weichen je nach Größe der Gruppe stark ab, die Kosten für Machu Picchu sind hingegen fix (Stand August 2011). Alle Preise verstehen sich pro Person, im Falle unseres Treks pro Person in einer Gruppe mit 3 Personen.
- Kosten für den Trek inkl. Guide, Koch, Pferdeführer mit Mulis, Equipment, Übernachtungen und Essen: 650 USD (455 Euro)
- Zugticket nach Cusco (Perurail, Zugtyp „Vistadome“): 75 USD (53 Euro)
- Hotel in Aguas Calientes: 50 PEN (13 Euro)
- Eintritt Machu Picchu: 124 PEN (32 Euro)
- Extra-Ticket für Huayna Picchu: 26 PEN (7 Euro)
- Trinkgelder für Koch und Pferdeführer: 80 PEN (21 Euro)
- zusätzlich: Einkäufe und bei Bedarf Mietkosten für Thermarest-Matratze, Laufstöcke und Schlafsack
Fazit
Was haben wir geschwitzt! Zwischendurch verließ uns kurzzeitig die Lust, aber wir haben uns durchgebissen. Wie viele Kilometer wir gelaufen und wie viele Höhenmeter wir auf- und abgestiegen sind, wissen wir gar nicht so genau. Sicherlich ist der Choquequirao-Trek eine der anstrengendsten Möglichkeiten, zu Machu Picchu zu gelangen, doch können wir den Trek uneingeschränkt empfehlen. Die Einstufung „schwierig“ bezieht sich nach unserer Erfahrung nur auf die vielen Tausend Höhenmeter, die man überwinden muss, nicht aber auf die Qualität der Wege. Diese waren bis auf kleine Ausnahmen nur unglaublich sandig und staubig, unsere nicht besonders ausgeprägten Kletterkenntnisse mussten wir allerdings nicht anwenden. Die Ruinen von Choquequirao sind quasi menschenleer, wir haben nur sehr wenige andere Trekking-Gruppen getroffen.
Auch Machu Picchu hat uns begeistert, die alte Stadt ist definitiv einen Besuch wert und zu Recht eine der Top-Attraktionen unserer einjährigen Reise. Tausende andere Touristen können nicht irren.
Bleibt die Antwort auf die wichtigste Frage: Warum um alles in der Welt machen wir einen so anstrengenden Höllen-Trek? Ganz einfach: Weil das Gefühl jeden Abend und vor allem das Gefühl danach unbeschreiblich ist!
Nächster Artikel
Nachdem ihr jetzt wisst, wie gut uns der Trek gefallen hat und dass alles gut ausgegangen ist, wollen wir euch im nächsten Artikel verraten, wie es wirklich war. Zusätzlich zu allem, was ihr soeben gelesen habt, hatte der Trek nämlich auch eine andere, finstere Seite. Im nächsten Artikel erzählen wir euch, was alles davor, währenddessen und danach NICHT so geklappt hat, wie wir es uns vorgestellt hatten. Lasst euch überraschen, wir wollen euch die andere Seite nicht vorenthalten!
Fotos
Natürlich haben wir wieder fantastische Fotos von unseren 9 Tagen mitgebracht:
Hallöchen Ihr zwei,
vielen Dank für euren ausführlichen Reisebericht. Ich war auch schon mal in Cusco aber wir konnten den Trek aus Zeitgründen nicht machen.
Könnte man auch ohne Führer hinkommen? Gibt es unterwegs einige kleinere Unterkünfte und Märkte?
Grüße Jörg
Hallo Jörg!
Ohne Guide ist es auch möglich, wenn man entweder eine gute Karte hat, sich gut auskennt oder man zu einer Zeit reist, wo man den Weg wegen anderer Touristen nicht verfehlen kann. Auf unserer Strecke waren erst nach einigen Tagen wieder Einkaufsmöglichkeiten in den kleinen Dörfern, deswegen haben wir fast das komplette Proviant mitgenommen. Unterkünfte wird man ebenso gegen später finden, anfangs allerdings ist man aufs Zelt angewiesen.
Der Trek lohnt sich unbedingt, wir würden andere Dinge dafür sein lassen oder aufschieben. Vielleicht klappt’s ja das nächste Mal bei dir. In wenigen Jahren wird Choquequirao wohl ein Pauschal-Reiseziel im Katalog werden, bis dahin ist es noch beinahe ein Geheimtipp.
Grüße aus Anglesea/AU,
Daniel
Hallo miteinander das war ein echt informtiver und toller Bereicht mit Fotos über den Choquequirao Trek in Peru. Grüsse aus Lima.
….ich hätte keine besseren Worte für diese unbeschreiblich tolle Zeit finden können! **JULE**
Hola,
sehr interessanter Bericht mal wieder und tolle Bilder – macht immer wieder viel Spaß zu lesen.
Viel Spaß weiterhin & Grüße,
Volker
Hi ihr zwei,
ich muss sagen RESPEKT an die Frauen für eine so anstrengende „Wanderung“!!
Auf Euren letzten Tage Wochen, lasst Ihrs ja nochmal richtig krachen. ;-)
Viele Grüße
Nico