Früh wachen wir auf in Neuseelands Hauptstadt Wellington. Ihr erinnert euch, wir campen unerlaubt mitten in der Innenstadt auf einem Parkplatz direkt an der Hauptstraße. Die Nacht war ungewohnt laut, kurz vorm Einschlafen haben wir neben unserer Heidi Blaulicht gesehen und schon damit gerechnet, die Nacht im Gefängnis zu verbringen. Waren wohl nur ein paar Jugendliche, die sich nicht zu benehmen wussten.

Kurz bevor unser Parkticket seine Gültigkeit verliert, verlassen wir den Parkplatz und schauen uns Old St. Paul’s Church an, eine schnucklige Kirche komplett aus Holz. Wir fahren weiter und besuchen Zealandia. Auf einem Berg hinter der Stadt wurde vor einigen Jahren ein gigantischer Zaun errichtet, um innerhalb des Zauns ein Reservat für Tiere und Pflanzen zu erschaffen. Ein paar Stunden hören wir den exotischen Vögeln zu, sehen seltene Echsen und ein paar flugunfähige Vögel, die beinahe schon ausgestorben waren. Ganz eindeutig gefällt uns der Ruf des Tuis am besten.

Eine tolle Sache, so ein Reservat. Wir sind begeistert, dass es so etwas gibt und noch mehr, weil wir an einem Montag kommen und zufällig an diesem Tag der Eintrittspreis auf ein Drittel des normalen Preises gesenkt wird, um montags mehr Besucher anzulocken.

Wir fahren weiter zum Mt. Victoria Lookout. Von weit oben bietet sich ein 360-Grad-Rundumblick auf Wellington und alle Buchten ringsum. In der Innenstadt essen wir noch ein Eis, trinken einen leckeren Cappuccino und fahren weiter zur Campsite außerhalb, wo wir die vorletzte Nacht verbracht haben. Der Parkplatz mitten in der Stadt geht einfach nicht.

Am nächsten Tag fahren wir nach Norden, erreichen bald die Westküste der Nordinsel und fahren an unendlich vielen Stellen vorbei, die alle aussehen wie das Grüne-Wiese-Blauer-Himmel-Desktop-Hintergrundblid von Windows XP. Die Ortsnamen auf der Nordinsel verwirren uns schnell. Irgendwie heißen sie alle gleich oder zumindest sehr ähnlich. Die meisten entstammen der Maori-Sprache, die für uns doch sehr fremd klingt. Wir durchfahren neben Orten mit eindeutig englischen Namen wie Foxton, Sanson und Bulls auch Orte wie Taihape, Waiouru und Ohakune.

Nach gut 330 km Fahrt an diesem Tag bringt uns Susi, unser Navigationssystem, zu einer Campsite nahe Whakapapa Village. Mitten im Nirgendwo hören wir sie sagen: „Sie haben das Ziel auf der linken Seite erreicht“. Hier ist ein Eingang zu einem großen Garten, stimmt. Vielleicht ist ein schmuckes Häuschen dahinter, aber eine Campsite? Wir fahren hinein, und in der Tat ist hier eine Campsite mit ein paar Motelzimmern und einer großen Fläche für Motorhomes und Zelte.

Tongariro: Grüße vom Mount Doom

Wir wissen nicht so genau, was wir tun, als wir an der Rezeption einen Transfer zum Startpunkt des Tongariro Alpine Crossings für den nächsten Morgen organisieren. Da der Endpunkt des Treks viele Kilometer vom Startpunkt entfernt liegt, brauchen wir jemanden, der uns morgens zum Startpunkt und abends vom Endpunkt wieder zurück zur Campsite bringt.

Das bedeutet aber auch, dass wir verdammt früh aufstehen müssen. So früh, dass ich auf dem Weg zur morgendlichen Dusche einen Sternenhimmel sehe, wie ich ihn sonst nur aus dem Planetarium kenne. Aber es ist keine Zeit jetzt, schon um 7:15 Uhr stehen wir an der Straße und warten auf den Bus, der uns in einer Viertelstunde zum Startpunkt des Treks auf 1.100 m bringt. Wir fahren mitten in ein Nebelgebiet. Das Wetter ist traumhaft, aber genau über dem Tal, wo unser Trek startet, liegen lange graue Schwaden.

Um 16:00 Uhr holt uns der Bus am Endpunkt wieder ab, wer zu spät kommt, muss laufen oder trampen. Das wollen wir vermeiden. Der Tongariro Alpine Crossing in seiner Grundversion ist 19,4 km lang, das sollte doch trotz heftigem Aufstieg in 8 Stunden zu schaffen sein.

Schnell lassen wir den Nebel hinter uns, kein Wunder, denn es bläst uns fast um. Stärkeren Wind hatten wir wohl nur in Tibet, wo Marsi sich richtig in den Wind legen konnte. Hier ist er nicht ganz so stark, aber doch macht er die Luft so kalt, dass wir froh sind um Mütze und Handschuhe. Die Sonne schafft es kurz nach 9:00 Uhr auch endlich über die Berge, jetzt wird es etwas wärmer. Wir passieren einen Sattel und sehen den perfekt geformten Vulkankegel des Mount Ngauruhoe jetzt in seiner ganzen Größe. Sein Gipfel ist 2.287 m hoch und kann in 2 Stunden bestiegen werden. Wir kennen den restlichen Trek aber nicht und wissen nicht, wie schnell wir sein müssen, um den Bus rechtzeitig zu erreichen. Wir lassen das stressige 2-Schritte-nach-oben-1-Schritt-zurückrutschen-Spiel aus, denn der Kegel ist 35 Grad zur Horizontalen geneigt und besteht aus Vulkanasche. Die Rutschpartie auf dem Rückweg hätten wir uns aber doch ganz lustig vorgestellt.

Es geht weiter durch den ewig großen South Crater, wieder steil nach oben bis zum höchsten Punkt des Treks auf 1886 m. Bäume haben wir schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen, doch jetzt wollen wohl auch keine Gräser mehr wachsen, die Landschaft ist karg, aber schön.

Wir wollen einen Abstecher zum Gipfel des Mount Tongariro machen und klettern in einer Stunde noch etwas weiter nach oben durch die mit Eiszapfen bedeckte Landschaft auf knapp 2.000 m. Dort werden wir mit einem unbeschreiblichen Ausblick belohnt. Hinter dem Ngauruhoe-Vulkan kommt jetzt der mächtige, aber viele Kilometer entfernte Mount Ruapehu mit seinen knapp 2.800 m hohen schneebedeckten Gipfeln zum Vorschein. Von weiter unten hat der mächtige Ngauruhoe-Vulkankegel die Sicht einfach versperrt.

Während in den Sommermonaten wohl weit über 1.000 Touristen täglich diesen Trek gehen, haben wir richtig Glück. Wir erwischen einen fabelhaften Tag ohne Wolken und teilen uns den Weg mit vielleicht 2 Dutzend anderen Touristen. Auf dem Tongariro-Gipfel sind wir sogar ganz alleine.

Wir laufen zurück zum eigentlichen Trek, jetzt kommt der lustigste Teil. Rechts neben uns liegt der Red Crater, wir laufen auf dem Rand des rot-schwarzen Kraters. Ein paar hundert Meter geht es jetzt abwärts durch Asche und Steine, einige der wenigen Mitwanderer gehen ganz langsam vor uns und versuchen mit Hilfe ihrer Stöcke möglichst wenig zu rutschen. Das ist mal gar nichts für uns. Wir entscheiden uns für die spaßige Variante und rennen den Hügel hinunter, so schnell wir können. Eigentlich sliden wir mehr durch die Asche, aber genau das macht ja so viel Spaß. Viel zu schnell erreichen wir unten die Emerald Lakes, 3 kleine Vulkanseen, die in herrlichen Grün- und Blautönen in der Sonne glitzern.

Der Geruch wird auch stärker, bisher haben wir nur einen kleinen Vorgeschmack davon bekommen. Jetzt gibt’s Schwefelduft aus allen Rohren. Überall vor uns sehen wir kleine und große dampfende Löcher im Boden, der starke Wind weht den unausstehlichen Duft schnell in alle Richtungen. Wir durchqueren den Central Crater und erreichen den kristallklaren Blue Lake. Von hier aus geht es nach unten, ganz langsam sehen wir wieder ein paar Pflanzen. Die Fernsicht ist phänomenal, wir sehen den 30 km entfernten Lake Taupo im Norden.

Wir erreichen um 14:00 Uhr die Ketetahi-Hütte, wo eine besondere Überraschung auf uns wartet. Ich gehe in die Hütte und denke mir noch: „Mensch, die kenn ich doch. Oder doch nicht? Wenn ich jetzt hingehe und HEIKEEEEE brülle, wird sie mir wohl eine scheuern.“ Vor der Hütte haben wir Gewissheit. Heike steht vor uns. Es gibt ja die eine oder andere Heike, vielleicht sogar hier in Neuseeland. Aber wir meinen genau die Heike, die wir zum letzten Mal Mitte November in Nepal gesehen haben. Wir wussten zwar, dass sie gerade in Neuseeland ist, aber niemals hätten wir damit gerechnet, sie hier zu treffen. Die Freude ist riesig, aber wir müssen uns schnell verabschieden, denn unser Bus wartet nicht.

Der weitere Abstieg ist steil. Zwar durchaus bequem, weil wir meist über Treppenstufen gehen, aber steil nach unten ist auf Dauer lästig. Wir sind mehr als froh, als wir den Parkplatz erreichen, eine halbe Stunde zu früh. Wir entspannen uns in der Nachmittagssonne, pünktlich holt uns der Bus ab und eine halbe Stunde später sind wir wieder auf der Campsite. Das wird wohl einen ganz ordentlichen Muskelkater geben!

Obwohl wir wahrlich genug Anstrengung für diesen Tag hatten, fahren wir noch eine Stunde weiter nach Taupo. Die Stadt liegt am nördlichen Ende des gleichnamigen Sees. Am nächsten Tag sind wir faul und kurieren unseren Muskelkater aus, denn in der Tat spüren wir deutlich, was wir am Vortag gemacht haben. Wir laufen ein bisschen durch die Stadt, shoppen ohne etwas zu kaufen und machen uns ein gutes Abendessen.

Wai-O-Tapu Thermal Wonderland

Tags darauf machen wir uns auf den Weg nach Rotorua. Unweit von Taupo besuchen wir auf dem Weg die Huka Falls, wo sich der Waikato River grün und blau schäumend nach unten stürzt. Ein paar Kilometer vor unserem Tagesziel steuern wir das Wai-O-Tapu Thermal Wonderland an. Die 32,50 NZD (19 Euro) für den Eintritt sind gut investiert, denn dieser Geruch ist eigentlich unbezahlbar. Wir gehen die wenigen Kilometer durch das Wonderland und sehen Unglaubliches: Es dampft und brodelt überall. Von Säure ausgefräste Höhlen hier, kleine und große Krater da und dampfende Schlammlöcher dort. Es gibt die volle Dosis Schwefelduft.

Der Champagne Pool schimmert in allen Farben, hier haben auch andere Elemente wie Eisen, Arsen oder Mangan ihre Elektronen im Spiel und zaubern die abenteuerlichsten Farben auf das Wasser und den Boden. Kurz vor dem Ausgang stehen wir vor dem Devil’s Bath und können nicht glauben, dass diese Farbe rein natürlich ist. Das Wasser in dem kleinen unter uns liegenden See ist leuchtend gelb-grün. Fast bekomme ich Hunger, denn die Farbe erinnert mich an Erbswurstsuppe, wenn auch an eine enorm knallige Erbswurstsuppe.

Der unerträgliche Geruch hört auch nicht auf, als wir einen Kilometer weiter die Mud Pools besuchen. Ein kleiner See aus grauem Schlamm blubbert und dampft unaufhörlich vor sich hin. Neuseeland liegt an der Grenze von zwei tektonischen Platten, weit unter der Erdoberfläche geht es richtig rund und irgendwo muss das Zeug ja raus. Aber der Schwefel dürfte ruhig unten bleiben. Marsi bleibt im Auto, ihr stinkt es gewaltig, aber nur im eigentlichen Wortsinn.

Am Nachmittag kommen wir in Rotorua an und nutzen den Abend und auch den verregneten nächsten Tag für ausgeprägtes Nichtstun mit Stadtbummel. Wenn ihr meint, dass der üble Schwefelgeruch sich nur auf die Stellen beschränkt, wo es aus dem Boden dampft, habt ihr euch getäuscht. Die ganze Stadt riecht nach faulen Eiern. Nicht immer, aber oft genug rümpfen wir die Nase, selbst auf dem Zeltplatz lässt der Duft nicht lange auf sich warten.

Am Morgen darauf sieht es schon wieder viel besser aus, laut Wettervorhersage hätte es auch heute den ganzen Tag regnen sollen. Wir entscheiden uns spontan für einen Besuch von ein paar Seen etwas außerhalb von Rotorua. Wir sehen den Lake Tarawera, den Blue Lake und den Green Lake bei perfektem Sightseeing-Wetter. Wieder in Rotorua pflegen wir eine alte Tradition und besuchen das Restaurant „Zur goldenen Möwe“ (@Matz: Na, aus welchem Hörspiel ist das?), wo es Kaffee und Cookies-and-Cream-Cheesecake zu einem unschlagbaren Preis gibt. Und beides kann sich, geschmacklich, wirklich sehen lassen.

Wir fahren durch Cambridge und sehen schon wieder Windows-XP-Desktop-Hintergrundbild-Landschaften in allen Himmelsrichtungen. Ein kurzer Regenschauer zaubert einen tollen Regenbogen auf den Südhimmel. Als wir das winzige Örtchen bei den Waitomo Caves erreichen, checken wir bei über 20 Grad auf der einzigen Campsite vor Ort ein. Ich spiele eine Stunde Gitarre in der untergehenden Sonne, einen perfekten Windows-Hintergrundbild-Hügel direkt vor mir. In Waitomo wollen wir die berühmten Höhlen besuchen, noch wissen wir aber noch nicht genau, für welche der vielen Angebote wir uns entscheiden sollen.

Morgen ist auch noch ein Tag, wir lassen es langsam angehen. Lasst euch überraschen, wir erzählen euch im nächsten Artikel von Glühwürmchen, die gar keine sind und wie wir in der letzten von 6 Wochen nach Auckland fahren, schweren Herzens unsere Heidi zurückgeben und das „Land der langen weißen Wolke“ schon wieder verlassen.

Unsere Fotos sind dieses Mal etwas vulkanlastig, aber es war einfach zu schön dort. Schade nur, dass unser Webspace-Provider noch kein „Duft-Addon“ anbietet, denn wir hätten euch gerne ein bisschen Schwefelwasserstoff-Duft nach Hause geschickt.