Die morgendliche Dusche lassen wir aus. Im Amenities-Block der Campsite zieht es von allen Seiten und es ist 4 Grad kalt. Es regnet immer noch, dazu ist es schneidig-windig, es fühlt sich eindeutig wie Minusgrade an. Wir sehen zu, dass wir die Catlins verlassen, denn auch für die nächsten Tage ist keine Besserung in Sicht.

Catlins: Nugget Point

Wir halten beim Nugget Point an, wenigstens diesen Stop wollen wir mitnehmen, wenn wir den Rest schon ausfallen lassen wegen des bescheidenen Wetters. Die Straße führt auf einer Schotterpiste teilweise direkt am Meer entlang. Direkt heißt in dem Fall, dass uns gerade mal ein Meter von der Wasserlinie trennt. Wir laufen einen knappen Kilometer an der Küste entlang zu einem einsamen Leuchtturm auf einer kleinen hügeligen Landzunge, außer uns ist keiner hier. Der Regen setzt genau während unseres Besuchs aus. Die Wellen weit unter uns sind riesig hoch, wir können sie deutlich hören. Marsi entdeckt auf einem Felsen 2 Pelzrobben, die in einem kleinen Pool baden, der bei jeder Welle frisches Meerwasser bekommt. Kurz darauf sehen wir, dass auf dem braunen Felsen eine ganze Robbenfamilie oder eher ein komplettes Robbendorf Siesta macht. Wir hätten die gut 50 quietschenden Tiere fast übersehen, wunderten uns aber doch über die unbekannten Geräusche.

Durch Otago weiter nach Norden

In Balclutha halten wir an, wir müssen eine Entscheidung treffen. Fahren wir an der Ostküste nach oben Richtung Dunedin oder lieber direkt durch das Innere der Insel nach Norden? Wir befragen mehrere Online-Wetterdienste und entscheiden spontan, die Ostküste auszulassen. Regen hatten wir wahrlich genug, uns steht der Sinn mehr nach trockenem Wetter.

Auf dem State Highway 8 nach Norden fühlen wir uns wie im Paradies. Links und rechts der wenig befahrenen Straße sehen wir kilometerlange Obstplantagen, hauptsächlich mit Apfel- und Birnbäumen. Alle paar Kilometer bieten die Betreiber der Obstfarmen ihre frisch geernteten Früchte zum Verkauf auf. Keine Frage, dass wir lieber hier kaufen als im Supermarkt. Ich kaufe zwei große Tüten meiner Lieblings-Apfelsorte „Fuji“, auch einer Tüte Birnen können wir nicht widerstehen. Mit gut 10 kg Obst machen wir uns weiter auf den Weg nach Norden, fahren durch Roxburgh und Alexandra und bemerken, dass mit jeder Minute weniger Wolken die Sicht auf die Sonne versperren. Als wir in Cromwell ankommen, können wir gerade noch den Sonnenuntergang vom Lookout aus sehen.

Canterbury: Riesige Seen und die höchsten Berge Neuseelands

Wir gehen den nächsten Morgen gemütlich an und fahren erst um kurz nach Mittag weiter Richtung Tagesziel Mount Cook. Der Lake Ohau begrüßt uns direkt neben der Straße mit einem milchigen Grün, wie wir es noch nie gesehen haben. Wir machen Halt in einer Lachsfarm und kaufen ein knappes Kilo superfrisches Lachsfilet, das hier beim „Lagerverkauf“ auch nicht teurer ist als im Supermarkt. Dafür können wir es sogar roh als Sushi essen, so frisch ist der Fisch. Wir fahren lange am Lake Pukaki entlang, haben fantastisches Wetter und kommen den schneebedeckten Bergspitzen immer näher. Wir hatten damit gerechnet, dass die Straße zu Neuseelands höchstem Berg nur aus engen Kurven besteht und sind überrascht, dass wir hier die wohl beste Straße des Landes vorfinden. Schnurgerade, guter Belag und eine Aussicht wie aus dem Reiseprospekt.

Aoraki (Mount Cook)

Wir erreichen Mount Cook Village, als es fast dunkel ist und suchen uns einen Stellplatz auf der einzigen Campsite vor Ort. Diese wird, wie viele andere in Neuseeland, vom Department of Conservation betrieben. Es gibt sogar Toiletten und eine kleine Küche, aber keinen Strom. Die Gebühr stecken wir in einen Umschlag und werfen diesen in eine kleine Metallbox, so einfach ist das. Der aufgehende Vollmond bescheint die um uns liegenden Gipfel und Gletscher so hell, dass wir kaum die Sterne sehen können, obwohl keine einzige Wolke am Nachthimmel ist. Später am Abend ziehen dicke Wolken auf, wir hören beim Einschlafen den Niederschlag in Form von Hagel auf unsere Heidi trommeln.

Am nächsten Morgen ist es vor allem eines: kalt. Verdammt kalt. Die Gasheizung hat ihren Auslass direkt unter unserem Bett, es ist also nicht sonderlich sinnvoll, diese nachts laufen zu lassen. Strom gibt es nicht, also hatten wir nachts keine Heizung. Ein Blick auf den Thermometer sagt uns genau 0 Grad, im Inneren unseres Campers wohlgemerkt. Ich wage einen Blick durch die Windschutzscheibe, die Sonne ist zwar schon aufgegangen, hat es aber noch lange nicht über die umliegenden Berge geschafft. Neuschnee! Ganz frischer weißer Neuschnee! Und eine gefrorene Scheibe. Draußen sind es -5 Grad, nachts muss es also noch deutlich kälter gewesen sein. Hatten wir schon erwähnt, wie froh wir um unsere guten Schlafsäcke sind?

Eigentlich ist Marsi noch müde und will überhaupt nicht aufstehen, aber als sie mich „Schnee“ rufen hört, ist sie sofort wach, in Rekordzeit angezogen und kurz darauf schon draußen. Nach dem Frühstück ziehen wir alle warmen Sachen an, die wir dabeihaben und machen einen Ausflug zum Kea Point. Außer uns ist noch niemand unterwegs, wir erreichen bald den Lookout und sehen erstmals Neuseelands höchsten Berg Aoraki oder Mount Cook. Direkt vor uns liegen die Moräne und der Gletschersee des Mueller-Gletschers, dahinter der Gipfel des 3.550 m hohen Bergs.

Wir machen noch einen zweiten Ausflug und gehen den Hooker-Valley-Trek. Langsam schmilzt der Schnee in der wärmenden Sonne. Wir müssen eine Hängebrücke überqueren und erreichen den Gletschersee, den wir vom Kea Point aus schon gesehen haben. Jetzt sehen wir Gletscher und See von der anderen Seite, das Wasser ist milchig-trüb und eiskalt. Nach der nächsten Hängebrücke verändert sich der Weg, wir müssen einen kleinen Bach entlanglaufen, aber nicht an dessen Seite, sondern mittendurch. Der Ausblick ist phänomenal: Wir stehen im Bach, neben uns ein großer Fluss und geradeaus der Mount Cook. Ein paar Meter machen wir das mit, dann rutscht Marsi mit einem Fuß ab und steht im eisigen Wasser. Ringsum sind noch weitere 3000er und ein paar Gletscher. Mit nassen Füßen läuft es sich nicht gut, wir drehen lieber um. Der Ausflug hat sich ohnehin schon mehr als gelohnt.

Lake Tekapo: Unglaubliche Farben

Einen heißen Tee später fahren wir auf dem guten Highway eine halbe Stunde zurück und biegen Richtung Osten ab, in einer weiteren halben Stunde erreichen wir Lake Tekapo. Auf einem 300 m hohen Hügel vor der winzigen Stadt liegt das Mt. John Observatory, der Blick auf die umliegende Landschaft ist umwerfend. Vom Observatorium aus machen wir einige der besten Aufnahmen unserer kompletten Reise. Direkt am Lake Tekapo checken wir auf der einzigen Campsite im Ort ein und braten endlich den gestern gekauften Lachs. Öl hätte die Pfanne wirklich nicht gebraucht, denn der Fisch ist sehr fettig, geschmacklich aber vom Feinsten.

Pünktlich um 19:00 Uhr sind wir im Ort beim Büro des Observatoriums, wir haben uns für eine abendliche Stern-Erkundungs-Tour angemeldet. Wegen zu viel Wind und Wolken muss unsere Tour aber abgesagt werden, ärgerlich. Hier im Nirgendwo und besonders auf dem Mt. John gibt es so gut wie keine Lichtverschmutzung und wir hätten zu gerne mal durch eines der Teleskope geschaut.

Auch am folgenden Tag haben wir traumhaftes Wetter, als wir die 1935 erbaute Church of the Good Shepherd besuchen. Die winzig kleine Steinkapelle ist umringt von Postkarten-Fotomotiven, einen Altar braucht sie nicht. Stattdessen gibt es ein großes Panoramafenster, durch das man die am anderen Ende des Lake Tekapo liegenden Berge sehen kann. Im See spiegeln sich die weit entfernten schneebdeckten Gipfel, ringsum ist Wald und sonst nicht viel. Wir genießen den Ausblick bei einem Spaziergang am steinigen Strand.

Über Wanaka zurück zur Westküste

Unser Rückweg führt uns wieder durch Twizel und auch wieder an der Lachsfarm am Lake Ohau vorbei, natürlich halten wir an und kaufen wieder einen halben Fisch. Bei Tarras biegen wir ab und fahren noch ein paar Kilometer bis nach Wanaka. Hier waren wir in unserer ersten Woche schon, wir checken wieder in der Free-WiFi-und-Spa-Campsite ein. Wir haben einen guten Ofen in der Camp Kitchen und machen Apfelstrudel aus unseren frischen Äpfeln.

Auch den nächsten Tag verbringen wir in Wanaka, auf unserem Programm steht heute genau nichts. Nichts heißt in diesem Fall Wäsche waschen, unser Blog pflegen, Artikel schreiben, noch mehr Apfelstrudel machen und abends im Whirlpool sitzen. Auch solche Tage brauchen wir manchmal, denn wir können nicht jeden Tag Gas geben, schließlich haben wir ja genug Zeit und gönnen uns gerne mal einen Tag Ruhe.

Kurz vor dem nächsten Mittag fahren wir los und lassen Wanaka hinter uns. Heute wollen wir es bis zur Westküste schaffen und die nächste Nacht am Fox-Gletscher verbringen. Wir genießen den Ausblick auf die endlose Weite von Lake Hawea und Lake Wanaka (Links zu Wikipedia). Je näher wir der Küste kommen, desto wolkiger wird es, auf dem Haast-Pass regnet es. Am Fox-Gletscher angekommen, sehen wir kaum noch Wolken und können uns gar nicht entscheiden, bei welchem der vielen Anbieter wir eine Gletschertour für den nächsten Tag buchen wollen. Schlussendlich nehmen wir einfach den einzigen Anbieter, den es hier gibt. Fox Glacier Township ist so klein, dass man auf der Hauptstraße in 3 Minuten vom Anfang bis zum Ende laufen kann. Wir buchen eine Ganztages-Gletschertour mitsamt Guide und Equipment. Abends stärken wir uns für die Anstrengung des kommenden Tags mit unserem frischen Lachs, dieses Mal grillen wir ihn aber im Backofen mit ein paar Gewürzen und Kräutern.

Gletschertour auf dem Fox-Gletscher

Um 7:30 Uhr müssen wir raus, es wird gerade erst hell. Pünktlich um 9:00 Uhr sind wir im Büro der Fox Glacier Guides, insgesamt sind wir 3 Gruppen mit je ungefähr 10 Teilnehmern, die heute im Eis wandern wollen, jede Gruppe bekommt einen erfahrenen Guide. Im Büro tauschen wir unsere gemütlichen Trekkingschuhe gegen alte eingelaufene Bergschuhe, außerdem bekommen wir Steigeisen, die wir auf die geliehenen Stiefel anpassen. Das sind verstellbare Metall-Aufsätze für die Schuhe mit gewaltigen Krallen an den Außenseiten, genau so sehen die Dinger aus. Das hatten wir noch nie, aber schließlich sind wir auch noch nie im Eis gewandert.

Bestimmt denkt ihr bei einer Gletschertour an Höhenkrankheit, Sauerstoffversorgung und Schneeblindheit, aber die neuseeländischen Gletscher sind anders als die in Europa. Der Fox zum Beispiel beginnt auf nur 300 m über dem Meer, das macht ihn und viele seiner Gletschergenossen so einzigartig und gleichzeitig einfach zugänglich. Er zieht sich viele Kilometer nach oben, wir bewegen uns aber nur auf dem unteren Teil, denn die Bereiche weiter oben sind zu gefährlich und sicherlich auch viel zu anstrengend für nur eine Tagestour.

Ein Bus bringt uns bis kurz vor den Gletscher, eine Viertelstunde laufen wir bis ans Ende der allgemein zugänglichen Zone, dann übersteigen wir die Absperrung und laufen auf dem Gletscher nach oben. Eine knappe halbe Stunde lang folgen wir unserem Guide Avalon, sie ist eine sympathische junge Kanadierin, die für ein Jahr lang in Neuseeland unterwegs ist. Wir kommen dem Eis immer näher, jetzt wird es Zeit für die Steigeisen. Die ersten paar Minuten sind wirklich gewöhnungsbedürftig, ein paar Meter laufen wir mit den Dingern am Fuß über Geröll, schon sind wir mittendrin statt nur dabei. Ein enger Eiskanal führt uns nach oben, wir trennen uns schnell von den anderen beiden Gruppen und schlagen mit unserer kleinen Gruppe eine eigene Route ein. Avalon läuft mit der Spitzhacke bewaffnet voraus und sorgt dafür, dass wir immer sicher auftreten.

Wir haben nur wenige Wolken am Himmel, der Tag ist perfekt für unsere Tour. Die Wintersonne kommt wegen der hohen umliegenden Berge um diese Jahreszeit gar nicht bis zu uns auf den Gletscher, sondern beleuchtet nur die bewaldeten Hänge um uns. Wir sind froh, dass wir Mützen und Handschuhe dabei haben, denn es ist eisig auf dem Fox, gefühlt eisig von oben und definitiv und massiv eisig von unten. Meter für Meter graben wir uns mit den Steigeisen ins Gletschereis und werden immer sicherer, denn abrutschen kann man ja eigentlich gar nicht mit diesen Metallzacken am Fuß. Wir durchqueren Kanäle, schauen in kleine und große Wasserlöcher und Gletscherspalten und sind fasziniert von den bizarren Formen, die Wind und Wetter aus dem Eis gemacht haben. Wir klettern in gigantische Eislöcher hinein und schauen auf der anderen Seite durch weitere Öffnungen wieder hinaus. Die ganze Zeit schimmert das Eis bläulich unter uns, wir fühlen uns wie in einer anderen Welt.

Viel zu schnell geht unsere Tagestour schon wieder zu Ende, nach über 4 Stunden im Eis lösen wir die Steigeisen von den Stiefeln und erreichen bald den Parkplatz und kurz darauf die Stadt. Natürlich waren auch Miniru, Bruno und Bubu auf dem Gletscher dabei. Wie immer wollten die drei ständig fotografiert werden, aber schon bei der zweiten Foto-Session ist ihr Fell im Eis so nass geworden, dass sie die restliche Tour lieber im Rucksack bleiben wollten. Für ihre außerordentliche Leistung heute bekommen sie von unserem Guide Avalon sogar ein Zertifikat in Farbe, auf das ihr Leben lang stolz sein werden:

This is to certify that Miniru, Bruno & Bubu did visit the mighty FOX GLACIER, did brave inclemency of South Westland climate and did endure the rambling discourses of the guides.

Guide: Avalon • May 22nd, 2011

Nach einigen Minuten ehrfürchtiger Andacht zerren wir die drei von ihrem Zertifikat weg, stecken sie wieder ins Seitenfach des Rucksacks und machen uns auf dem Weg zum 22 km entfernten Franz-Josef-Gletscher, wo wir die nächste Nacht verbringen.

In der kommenden Woche werden wir an der Westküste nach Norden und quer über die Insel nach Picton fahren, von wo aus uns die Fähre auf die Nordinsel bringen wird, mehr dazu im nächsten Artikel. Vorher solltet ihr aber auf jeden Fall unsere Fotos der dritten Woche sehen: