Eine Nacht verbringen wir in Puno auf der peruanischen Seite des Titicacasees, von dort aus fahren wir mit einer organisierten Grenzübergangs-Bustour nach Bolivien. Die Grenze überqueren wir zu Fuß, nachdem alle Gäste des Busses zum Kollektiv-Geldwechseln geschickt wurden, denn einen Geldautomaten gibt es weder in der Grenzstadt noch in Copacabana, unserem Ziel für heute.
Einen kurzen Stempel später sind wir in Bolivien und nach 30 Busminuten in Boliviens berühmter Pilgerstadt Copacabana direkt am Titicaca-See, der auf über 3.800 m liegt. Wir haben tags zuvor ein Hotel reserviert, denn in Bolivien sind gerade Ferien und das ganze Land ist unterwegs. Da wir auf dem wuseligen Busbahnhof ohnehin kein Taxi finden können, laufen wir zu unserem Hotel, beziehen zusammen mit Jule unser 3er-Zimmer und wollen duschen. Heißes Wasser gibt es hier, aber die Art, wie man in diesen Genuss kommt, ist wirklich elektrisierend.
Es kommt kaltes Wasser aus der Leitung und als Duschkopf ist ein elektrisches Heizelement installiert. Das grün-gelbe Kabel für die Erde streckt sich ohne Verbindung feierlich Richtung Decke, die beiden anderen sind notdürftig mit Isolierband abgesichert. Ob es uns zu denken geben muss, dass der Wasserhahn am Waschbecken dick mit Gummi ummantelt ist? Was ist mit den schwarzen Brandspuren an der Decke direkt über den Kabeln des Duschkopfs, die von einen Kurzschluss kommen? Wir wagen es trotzdem und haben Glück, wir bekommen keinen Stromschlag.
Copacabana ist uns suspekt. Schon am ersten Abend werden wir mehrfach vor Taschendieben gewarnt, wildfremde Leute sprechen uns an und mahnen uns zur Vorsicht. Die ganze Innenstadt ist ein einziger großer Markt, wo es neben Essen die üblichen Dinge zu kaufen gibt: Alpaca-Decken, Souvenirs, Kleidung und Süßigkeiten. Einen Geldautomaten gibt es übrigens doch in Copacabana, aber erst seit wenigen Wochen. Immerhin funktioniert er und wir kommen auf einfache Weise an etwas Bargeld. Erst um 2:30 Uhr sind die Party und das dazugehörige Feuerwerk zu Ende, der Unabhängigkeitstag Boliviens (6. August) steht unmittelbar bevor.
Der nächste Tag beginnt wolkig, so dass wir den geplanten Ausflug zur vorgelagerten Isla del Sol ausfallen lassen. Auf der Insel im Titicacasee hätten uns noch ein paar weitere Inka-Ruinen erwartet. Stattdessen verbringen wir den Nachmittag am hektischen „Strand“ direkt am See und wundern uns über so manche Gestalt, die uns hier begegnet. Die meisten der bolivianischen Frauen dieser Gegend kleiden sich traditionell mit mehrlagigen Röcken und bunten Oberteilen, die langen schwarzen Haare sind zum Zopf geflochten. Wirklich schöne Menschen sehen wir hier nicht.
Tags darauf ist es mal wieder Zeit für einen Anschiss. Unsere Nachbarn schräg gegenüber, eine bolivianische Familie, zelebrieren lautstark ihre Abreise, und das um 7:30 Uhr. Kurz nach Mittag fahren wir mit dem Bus Richtung La Paz und sehen den Titicacasee von allen Seiten. An einer sehr schmalen Stelle müssen wir inklusive Bus den See überqueren. Die Passagiere werden in einem eigenen Boot transportiert, der Bus kommt sicherheitshalber alleine auf ein überdimensionales Floß und braucht ein paar Minuten länger. Um 16:30 Uhr erreichen wir La Paz, nehmen uns für 10 Bolivianos (1 Euro) ein Taxi zu unserem Hotel, von dem wir mehr als überrascht sind. Die Zimmer sind zwar nicht groß, dafür sehr komfortabel, wundervoll bemalt und einfach schön.
Für den folgenden Tag steht uns das Abenteuer Correos Bolivia (die bolivianische Post) bevor. Bereits aus Cusco in Peru haben wir 2 Pakete nach Hause geschickt, denn unsere Rucksäcke waren unerträglich schwer geworden. Ein paar Dinge sind noch übrig geblieben, und aus Boliviens Hauptstadt La Paz kostet uns das Versenden eines Pakets gerade mal die Hälfte des Preises in Peru. Es ist Sonntag und wir bringen in Erfahrung, dass die Post nur bis 12:00 Uhr geöffnet ist. Um 11:00 Uhr betreten wir das Untergeschoss, wo internationale Pakete über 3 kg aufgegeben werden können. Die nächste Stunde ist eine der stressigsten in ganz Südamerika.
Wir brauchen Kopien unserer Reisepässe, Marsi muss dafür auf die gegenüberliegende Straßenseite in ein Geschäft gehen. Als sie zurückkommt, wird uns gesagt, dass wir aber 2 Kopien brauchen. Während Marsi abermals nach drüben geht, verpacke ich das Paket. Üblicherweise werden Pakete hier nicht in Kartons versendet, sondern in großen blau-weißen Tüten. Wir kaufen für 4 Euro trotzdem einen uralten Karton, verpacken unsere 9,5 kg darin und geben den Karton einer Mitarbeiterin, die das komplette Ding zusätzlich doch noch in eine blaue Tüte packt und diese mit Nadel und grobem Faden vernäht. Darauf wird direkt eine der Passkopien geklebt und die Zieladresse geschrieben. Wir müssen noch „Please do not send back to Bolivia“ draufschreiben, bitte nicht nach Bolivien zurücksenden. Diese Kosten will die bolivianische Post sicherlich nicht übernehmen, sollte die Zustellung nicht möglich sein.
Die Dame am Bezahlschalter muss nur unseretwegen Überstunden machen, das Verpacken hat viel zu lange gedauert. Wir schmieren sie mit ein paar Bolivianos und hoffen, dass sie dadurch unser Paket nicht womöglich am nächsten Tag aus Versehen vergisst und mit nach Hause nimmt. Nach 4 Tagen sehen wir anhand der Tracking-Nummer, dass das Paket immerhin am Flughafen in La Paz angekommen ist, viel mehr aber nicht. Nach 14 Tagen erreicht das Paket meine Eltern in Deutschland, ob alles drin ist oder unterwegs etwas abhanden gekommen ist, werden wir erst nach unserer Rückkehr wissen.
Am Abend treffen wir zwei Holländerinnen im Hotel, sie haben eine tolle Geschichte zu erzählen: Auf der Straße wurden sie von einer jungen Frau angesprochen, angeblich eine Touristin aus Chile, die nach dem Weg fragt. Zufällig kommt ein Polizist in zivil vorbei und möchte – nur sicherheitshalber – eine Pass- und Drogenkontrolle durchführen. Die Chilenin meint, das sei ganz normal. Ein Wagen kommt vorbei mit dem Kollegen des Polizisten und alle steigen ein. Ein paar Kilometer weiter hält der Wagen an einer einsamen Stelle, der Polizist kontrolliert auf dem Vordersitz die Rucksäcke der Holländerinnen. Ganz offensichtlich legt er auch alles, was er aus den Rucksäcken nimmt, wieder hinein. Nach der Kontrolle der Holländerinnen werden diese unhöflich aus dem Wagen geschickt, und wer hätte es gedacht: Das Geld fehlt. Polizist, Fahrer und Chilenin sind ein eingespieltes Team, und wieder einmal hat dieser gute alte Trick funktioniert. Willkommen in Bolivien!
Nach einem Tag ausgeprägten Nichtstuns starten wir unsere Uyuni-Tour, über die wir schon in einem anderen Artikel berichtet haben. Direkt nach der zweitägigen Tour fahren wir mit dem Bus über eine mehr als abenteuerliche Straße nach Potosí. Wir überqueren nachts einen Pass mit wohl mehr als 4.000 m, wir sehen durch die Busfenster im Mondlicht den Schnee schimmern und frieren im Bus, eine Heizung gibt es nämlich nicht.
Mitten in der Nacht holt uns Wilfredo in Potosí ab und bringt uns zum Hotel. Mit Wilfredo machen wir am nächsten Tag eine Stadtführung zu Fuß durch die ehemals reichste Stadt der Welt, die auf knapp über 4000 m liegt. In der Casa de la Moneda besichtigen wir die alte Münzprägeanstalt, wo seit Ende des 16. Jahrhunderts Silbermünzen für viele Länder der Welt geprägt wurden. Heute werden selbst die Münzen der eigenen Landeswährung im Ausland geprägt.
Ihren ehemaligen Reichtum bezog die Stadt aus den unzähligen Silberminen auf dem nahegelegenen Hügel Cerro Rico, noch heute gibt es dort 180 Minen, in denen unter miserabelsten Arbeitsbedingungen Kupfer, Zinn und Silber abgebaut werden. Wir verlassen Potosí nach dem Mittagessen schon wieder und fahren mit dem Taxi in 2,5 Stunden nach Sucre. Hier haben wir uns Zimmer in der Casa Verde gemietet, die vom sympathischen Belgier René geleitet wird.
Schnell bemerken wir, dass in Sucre auf einmal alles anders ist. Die Innenstadt ist in mehr oder weniger quadratischen Häuserblöcken geordnet, fast alle Häuser sind weiß angestrichen und wir sehen kaum Müll auf den Straßen. Hier begegnen uns erstaunlich viele junge gut aussehende Menschen, das hatten wir in Bolivien bisher noch nicht. Im Innenhof der Casa Verde gefällt es uns so gut, dass wir außer einer kurzen Besichtigungstour zur Plaza nicht viel tun wollen.
Unseren letzten Abend mit Jule begießen wir mit Cocktails in einem gemütlichen Restaurant. Es ist Happy Hour und wir können die Gläser am Ende fast nicht mehr zählen. Am nächsten Morgen verlassen wir Sucre und schweren Herzens auch Jule. Sie wird nach La Paz zurückfahren, von dort aus nach Lima und weiter nach Mexiko fliegen. 3 Wochen lang waren wir zu dritt unterwegs und haben mit Jule nicht nur einen idealen Reisepartner und eine gute Freundin gefunden, sondern auch viele Dinge gesehen und erlebt, die uns ein Leben lang verbinden werden. Wir schmieden Pläne, wo wir uns das nächste Mal treffen könnten, denn Jule ist noch ein paar Monate in der Welt unterwegs.
Bereits ein paar Tage vorher haben wir Flüge von Sucre nach Santa Cruz de la Sierra gebucht, um uns eine weitere lange Busfahrt zu sparen. Ein Flugticket kostet uns gerade mal 34 Euro. Unsinnigerweise ist der Direktflug nach Santa Cruz etwas teurer, so dass wir zuerst 20 Minuten nach Cochabamba fliegen und nach einem kurzen Aufenthalt weitere 40 Minuten nach Santa Cruz.
Wir landen um 13:45 Uhr in Boliviens größter Stadt Santa Cruz. Diese hat mit knapp 1,7 Millionen Einwohnern ein paar mehr als La Paz. Unser Hotel liegt außerhalb des Zentrums an einer 8-spurigen Ringstraße, von denen viele in verschiedenen Abständen um die Innenstadt führen. Unser erstes Zimmer zeigt direkt zu dieser stinkenden und lauten Straße, sodass wir in ein Zimmer mit Blick nach hinten wechseln.
3 Tage haben wir, um Santa Cruz kennenzulernen. Ein Ausflug in die Innenstadt zeigt uns schon nach einer guten Stunde, dass es uns hier nicht gefällt. Viel zu sehen gibt es nicht, die Innenstadt um die Plaza hat keine besonderen Überraschungen zu bieten. Die Stadt ist hektisch, heiß und voller Autos und Lärm. Überhaupt ist hier alles anders, es kommt uns eher vor wie eine kleine Version von Bangkok als die größte Stadt eines Landes in Südamerika. Bisher brauchten wir zumindest nachts immer eine Decke oder unsere Schlafsäcke, weil es sonst viel zu kalt war. Hier sind wir froh um die Klimaanlage, die die heißen und feuchten 32 Grad aus unserem Zimmer fernhält. Wir beschließen, während der Zeit in Santa Cruz nicht viel zu tun und genießen unser großes Hotelzimmer, schreiben ein paar Artikel für unser Blog und ruhen uns aus.
Wir fahren mit dem Taxi zum Flughafen und starten mit einer betagten Boeing 727 Richtung Buenos Aires, wo wir unsere letzten 3 Tage in Südamerika verbringen. Mehr dazu findet ihr im nächsten Artikel, hier gibt es ein paar tolle Fotos aus unseren beiden Wochen in Bolivien:
Wir freuen uns über deinen Kommentar!