In unserer ersten Nacht im Süden Australiens machen wir Bekanntschaft mit etwas, das wir nach über einer Woche in Dubai und Singapur schon fast nicht mehr kennen: Kälte. Obwohl wir mit unserem Camper zwei große aber leider nicht sonderlich warme Bettdecken bekommen haben, frieren wir früh morgens bei 10 Grad ganz ordentlich. Nur langsam wird es wärmer, als wir unser erstes Frühstück genießen.

Für mich hat gestern eine paradiesische Zeit begonnen: In Australien gibt es Vegemite in jedem noch so kleinen Supermarkt zu kaufen, während ich zu Hause mit meinen teuer erkauften Vorräten gut haushalten muss. Marsi mag den eigen- und einzigartigen Geschmack überhaupt nicht, aber Dari ist auf meiner Seite: Mit seinen noch unverbrauchten Geschmacksnerven weiß er eben, was gut ist und beißt ein paar Mal von meinem leckeren Vegemite-Butter-Toast ab.

Nicht weit entfernt von unserer Campsite in Braybrook bei Melbourne ist das Highpoint-Einkaufszentrum, das wir heute als erstes ansteuern. Hier finden wir einen Kathmandu-Store, wo wir uns für die kühlen australischen Tage und Nächte rüsten wollen. Wir haben natürlich von zu Hause Jacken mitgenommen, aber nicht die schweren Winterjacken. Nach der letzten Nacht steht fest: Die leichten Softshells werden für diese Jahreszeit an Australiens Südküste nicht ausreichen. Ich kaufe mir eine 320er Merino-Jacke, Marsi ein warmes Oberteil und Dari bekommt im Kinderklamottenladen nebenan ein cooles Fleece mit Kapuze.

Nachdem die Suche nach mobilem Internet etwas aufwendiger war als erwartet, fahren wir erst am Nachmittag los. Der Princes Highway (die M1) führt uns westlich an Geelong vorbei, wir erreichen am frühen Abend unser Tagesziel, den kleinen Küstenort Anglesea. Damit sind wir bereits mitten auf der Great Ocean Road (im Weiteren GOR genannt), auf einer der schönsten Straßen der Welt, was mal jemand über sie gesagt hat. Ob das wirklich so ist, wollen wir in den nächsten Tagen herausfinden. Die GOR ist knapp 250 km lang und zieht jedes Jahr viele Millionen Besucher an.

Die Zeltplätze, die wir zumindest an der Küste noch regelmäßig anfahren (statt unseren Camper wie später im Outback einfach auf einer Rest Area an der Straße abzustellen), sind ihr Geld wert: Die meisten haben super-saubere Amenities (Gemeinschaftsbad und -toilette), viele haben einen Pool oder einen Spielplatz und praktisch alle haben BBQs. Wir sind ja in Australien und da wird nun mal gegrillt. Das hat natürlich seinen Preis, ein Stellplatz für unseren Camper und uns drei kostet in der Regel zwischen 30 und 40 AUD (zwischen 20 und 30 Euro).

Am Abend erledigen wir, was in der letzten Zeit liegengeblieben ist: Wäsche waschen, Bankgeschäfte, die Ordnung im Camper optimieren. Recht schnell entscheiden wir uns, Kälte gegen Krach zu tauschen und schalten die Klimaanlage unseres Campers ein. Die lärmt ganz ordentlich, zum Schlafen eigentlich schon unerträglich laut. Wir schalten sie in der Nacht einige Male aus und kurz darauf an, wenn es wieder zu kalt geworden ist.

Der Lookout auf einem kleinen Berg nach Angelsea gibt uns einen kleinen Vorgeschmack auf das, was uns die nächsten Tage erwarten wird. Noch viel schöner wird es ein paar Kilometer später beim Split Point Lighthouse, einem 1891 erbauten strahlend weißen Leuchtturm.

Bei Lorne biegen wir ab und fahren 8 km über eine teils abenteuerlich steile Straße zum Erskin Fall. Der Wasserfall kann von oben und von unten betrachtet werden. Während der Weg zum oberen Punkt nur einen Katzensprung vom Parkplatz entfernt ist, hören wir auf dem viel weiteren Weg zum unteren Punkt viele der uns entgegenkommenden Besucher stöhnen und ächzen. Ein bisschen steil sind die Stufen in der Tat, aber da sind wir anderes gewohnt.

Die Apollo Bay ist nicht weit, hier entfernt sich die GOR vom Meer und führt durch den Great-Otway-Nationalpark ins Landesinnere. Auf den Straßen mit den vielen Serpentinen kommen wir jetzt deutlich langsamer voran als noch an der Küste, wir erreichen unseren Campingplatz in Princetown erst kurz vor Sonnenuntergang. Unseren Camper parken wir wie die wenigen anderen Gäste mit der Rückseite an ein großes ovales Cricket-Spielfeld, auf dem wir schon unsere besonderen Freunde erspähen. Hier und überhaupt überall um den Campingplatz grasen große und kleine Kängurus in aller Ruhe und lassen sich durch nichts stören.

Am nächsten Morgen lassen wir uns Zeit und fahren erst um 9:30 Uhr los. Nur 12 km sind es bis zur größten Attraktionen der GOR, die wir uns nicht entgehen lassen wollen. Es sind noch nicht viele Besucher bei den Twelve Apostles unterwegs, als wir die 10 Minuten vom Parkplatz zur Aussichtsplattform gehen. Der Weg ist sogar für unseren Kinderwagen geeignet, es gibt weder Treppen noch steile Stellen. Die Kalksteinfelsen (die Apostel) sind Überbleibsel der Küstenlinie, welche sich ständig zurückbildet und immer mal wieder solche Formationen zurücklässt, die dann wiederum erosionsbedingt irgendwann in sich zusammenstürzen. 12 Apostel sind es aber trotzdem nie gewesen, doch klingt das einfach besser. Vor knapp 10 Jahren ist ein beachtlich hoher Fels eingestürzt und die Apostel sind wieder einer weniger geworden. Irgendwann wird gar keiner mehr übrig sein.

Das Wetter wird mit jeder Minute besser, jetzt geht es Schlag auf Schlag. Wir können gar nicht an allen Lookouts anhalten, so viele gibt es hier. Wir müssen uns entscheiden, denn mit jedem Stopp steigt das Risiko, dass Darian aus seinem Spätmorgenschlaf aufwacht und nicht wieder einschlafen will. Wir schauen uns The Arch, die Bay of Martyrs und die London Bridge an. Die spektakuläre Küstenlinie um diese Felsformationen herum ist mindestens so sehenswert wie jeder einzelne Apostel.

Wir verlassen die GOR schon wieder und erreichen am frühen Nachmittag Warrnambool. In der kleinen Hafenstadt gibt es alles, was man braucht und so klein ist die Stadt eigentlich gar nicht, aber irgendwie gefällt sie uns. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es nur wenige Kilometer bis zum Logans Beach sind, den wir zum Sonnenuntergang besuchen. Nur ein paar Schritte sind es aus unserem Camper, schon stehen wir auf der großen Aussichtsplattform und schauen aufs Meer. Nach unten zum Sandstrand wäre es auch nicht weit gewesen, doch von hier oben haben wir einen viel besseren Blick auf ein ganz besonderes Highlight. Wir sind genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort und haben das große Glück, Wale beobachten zu können. Regelmäßig in der Jahresmitte kommen Glattwale (Südkaper) hierher, um sich für die Reise in kältere Gewässer zu stärken. An diesem Abend sehen wir Mama-Glattwal mit ihrem Kalb, keine 50 m vom Strand entfernt. Dass unweit der Wale ein paar Surfer bei den hohen Wellen ihr Glück versuchen, scheint hier ganz normal zu sein.

Das faszinierende Schauspiel wird am nächsten Tag durch einen weiteren Wal ergänzt. Alle paar Minuten sehen wir eine Fontäne und auch mal eine Schwanzflosse, während die großen Tiere ganz ruhig von einer Seite der Bucht zur anderen und wieder zurück schwimmen.

Unser Fazit: Man kann auf der GOR sicherlich sehr viel mehr Zeit verbringen als wir, ohne dass es langweilig wird. Es gibt genügend zu sehen und viele kleine Ortschaften und mittelgroße Städte zu entdecken. Uns musste ein kurzer Eindruck auf dem weiten Weg ins Rote Zentrum Australiens genügen. Empfehlen können wir die berühmte Straße uneingeschränkt, ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Damit ihr nicht selbst nach Südaustralien reisen müsst, haben wir ein paar schöne Fotos für euch gemacht: