Wir erinnern uns an unseren letzten Besuch in Laos. Wir hatten die gleiche Reiseroute wie jetzt, aber in entgegengesetzter Richtung. Vor allem an die Fahrt von Luang Prabang (unser nördlichster Punkt im Land) nach Vang Vieng haben wir nicht die besten Erinnerungen. Marsi, der es im Auto auch schon mal übel wird, fürchtet auch dieses Mal das Schlimmste.

Während unserer Woche in Vang Vieng hören wir von verschiedenen Reisenden, dass es eine neue Straße geben soll, die Vang Vieng mit Luang Prabang verbindet. Statt 6-8 Stunden soll die Fahrt nur noch gut 3 Stunden dauern. Wir lernen eine junge Deutsche kennen, die einen Tag vor uns diese Strecke fährt. In Luang Prabang angekommen schickt sie uns eine Nachricht: Die Fahrt verlief völlig stressfrei über die neue Straße, von Serpentinen und Pässen keine Spur. Schon am frühen Nachmittag wurde sie mit ihrer Gruppe in der Stadtmitte von Luang Prabang abgesetzt.

Genau das wollen wir auch, es könnte gar nicht besser passen. Wir buchen unsere Tickets bei der gleichen Agentur wie unsere Reisebekanntschaft und lassen uns versichern, dass die neue Straße benutzt wird. Sicherheitshalber buchen wir für Dari ein eigenes Ticket, sodass wir ihn nicht die ganze Fahrt über auf dem Schoß haben. Die Tickets sind gar nicht so billig, wir bezahlen immerhin 270.000 LAK (30 Euro) für uns zusammen.

Eine Viertelstunde zu früh werden wir am nächsten Morgen abgeholt. Auch ein französisches Paar aus unserem Guesthouse ist an Bord. Dass sich die beiden völlig unkooperativ zeigen als wir sie bitten, uns die Sitzreihe hinter dem Fahrer zu überlassen, damit Marsi nicht so schnell übel wir, nehmen wir kommentarlos hin. Etwas später steigen sie ganz freiwillig doch auf die beiden Sitze neben dem Fahrer um. Wir besetzen die Reihe mit 3 Sitzplätzen direkt dahinter. In der Stadt holen wir noch weitere Touristen ab, bis der alte Minivan mit Fahrer und 11 Touristen voll besetzt ist. Das komplette Gepäck ist auf dem Dach verstaut, eine blaue Plane soll dafür sorgen, dass der laotische Staub nicht allzu viel Angriffsfläche findet.

Um 9:20 Uhr verlassen wir Vang Vieng und fahren eine Stunde durch kleine Dörfer, die manchmal nur aus einer Handvoll Häuser bestehen. Es herrscht reges Treiben auf den Straßen, jeder hat irgendetwas zu tun, auch wenn nur hockend am Straßenrand eine Zigarette geraucht wird. Nach einer Stunde schläft Dari ein, ungewöhnlich früh. Aber gut, es ist ohnehin besser, wenn er die Serpentinen verschläft, die wir bis zur ersten kurzen Pause hinter uns gelassen haben. Sobald der Van bergauf fährt, schaltet der Fahrer die Klimaanlage aus und öffnet die Fenster, um Energie zu sparen.

Nach einer guten Stunde machen wir eine kurze Toilettenpause, Dari ist wieder wach. Jetzt geht es erst richtig los. Unser Fahrer fährt immer noch zügig, gibt nach Kurven ordentlich Gas, nur um vor der nächsten Kurve wieder abzubremsen. Die vielen Schlaglöcher sorgen für heftige Lenkbewegungen, wir werden ganz ordentlich in allen Richtungen durchgeschüttelt. Wir überqueren ein paar Pässe, der höchste liegt immerhin auf 1.400 m über dem Meer. Immer wenn der Fahrer die Klimaanlage wieder einschaltet, können wir uns sicher sein, dass es jetzt für eine Weile bergab gehen wird.

Marsi verzieht schon längst alle paar Sekunden das Gesicht, weil ihr mit jedem Kilometer ein bisschen flauer im Magen wird. Dari ist zunächst gut drauf, wird aber recht schnell ruhig und dann seltsam weinerlich, so kennen wir ihn gar nicht. Nach einer Weile ist klar, was los ist. Ohne Vorwarnung hustet Dari ein paar Mal und präsentiert sein komplettes halb verdautes Frühstück im Minivan, auf dem Sitz und auf dem Boden. Es geht alles viel zu schnell, wir können nicht einmal daran denken, etwas zum Auffangen zu suchen.

Auf unser Bitten hin hält der Fahrer an. Er geht erst mal raus und raucht. Während Marsi mit dem weinenden Dari am Straßenrand steht und er sich noch ein paar Mal übergibt, versuche ich schon, die größten Brocken von Sitz, Boden und von unseren Rucksäcken zu entfernen. Der Geruch ist unerträglich, auch für alle anderen im Van. Nach ein paar Minuten geht die Fahrt weiter, Dari ist alles andere als begeistert. Wir bitten den Fahrer, etwas langsamer und weniger dynamisch zu fahren. Es ist chancenlos. Er versteht uns nicht.

Spätestens als Marsi das Restaurant wiedererkennt, das wir für die Mittagspause ansteuern, ist es klar: Der Fahrer nimmt keineswegs die neue Straße, sondern die alte Straße wie damals im Januar 2011. Dari ist kurz vor der Pause wieder eingeschlafen. Während die anderen essen, sitze ich mit ihm im Van und wir schwitzen uns gegenseitig an. Die Fenster sind offen, die Klimaanlage ist ausgeschaltet und die Motorhaube ist geöffnet. Wäre es vielleicht – damit der Motor ein bisschen zur Ruhe kommt – eine gute Idee gewesen, ihn einfach abzuschalten?

Dari schläft noch eine Weile und wacht erst wieder auf, als wir längst schon wieder losgefahren sind. Der Fahrer ist wieder ganz in seinem Element, er fährt rasant und überholt andere Fahrzeuge an unübersichtlichen Stellen, an denen wir uns nicht einmal auf die andere Spur gewagt hätten um zu sehen, ob die Straße frei ist. Wir haben gelernt und halten jetzt eine Tüte bereit für den Fall der Fälle. Und er kommt, der Fall der Fälle. Dari gibt noch einmal alles. Wir schreien „Stop“, der Fahrer hält an und Marsi will so schnell wie möglich mit Dari nach draußen. Beim Aufmachen der Schiebetür reißt sie aus Versehen den Türgriff ab, der Fahrer muss von außen öffnen.

Ich versuche dem Fahrer zu vermitteln, dass es für alle im Van am besten ist, wenn er ab jetzt ein bisschen langsamer fährt und nicht jede Kurve so schnell nimmt, wie er kann. Ganz egal, wie ich es mit Worten versuche, es klappt nicht. Ich deute auf den Tacho und zeige mit der Hand nach unten, auch das versteht er nicht. Zum Glück wird die Straße nach dem letzten Pass besser und mit jedem Kilometer, den wir uns unserem Ziel nähern, auch weniger kurvig.

Statt uns wie versprochen im Zentrum von Luang Prabang abzusetzen, steuert der Fahrer um 15:30 Uhr das Busterminal außerhalb der Stadt an. Wenn man nicht eine knappe Stunde in die Stadt laufen möchte, ist man auf die Tuktuks angewiesen, die hier schon bereitstehen und auf fette Beute warten. 20.000 LAK (ca. 2 Euro) pro Person bezahlen wir nicht, was für eine Abzocke. Bei 15.000 steigen wir mit ein paar anderen ebenso verärgerten Touristen aus unserem Minivan in eines der Tuktuks und lassen uns zu unserem Hotel fahren.

Den kompletten Höllentrip haben wir über GPS mitgeschnitten. Falls ihr also einmal Verhandlungsmaterial benötigt, könnt ihr diese Karte zeigen und darauf bestehen, dass diese Route eben nicht genommen wird:

OpenStreetMap

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Um 16:00 Uhr sind wir endlich da. Knapp 7 Stunden sind wir schon unterwegs, seit wir Vang Vieng verlassen haben. Für heute reicht es uns. Hat sich Dari bisher gut geschlagen und alle Transportmittel tapfer überstanden, war der Höllentrip nach Luang Prabang definitiv zu viel für ihn und auch für uns. Nachdem wir unser Zimmer bezogen haben und auf dem Weg in die Stadt sind, geht es Dari schon viel besser und der Trip ist vergessen. Zumindest für ihn.

Wir aber fragen uns doch, warum man uns Dinge versprochen hat, die man ganz offensichtlich nicht halten kann. Am Abend schreibe ich der Agentur, über die wir die Fahrt gebucht haben, eine sachliche E-Mail mit folgenden Fakten:

  • Der Fahrer nahm die alte Straße und nicht wie versprochen die neue.
  • Der Fahrer fuhr viel zu schnell und stellenweise unangepasst risikoreich.
  • Der Fahrer verstand kein Wort Englisch.
  • Der Minivan war alt und klapprig, bei jeder Steigung wurde die Klimaanlage ausgeschaltet.
  • Statt im Stadtzentrum wurden wir am weit entfernten Busbahnhof abgesetzt.

Neben vielen Entschuldigungen kamen als Antwort ein paar ernüchternde Fakten ins Postfach: Es kann kaum sein, dass man uns versprochen hat, dass der Fahrer die neue Straße nimmt. Die Verkäuferin war wohl des Englischen nicht so gut mächtig und vielleicht haben wir es falsch verstanden. Da die Fahrer schlussendlich immer selbst entscheiden, welche Route sie wählen, besteht immer ein geringes Risiko, dass doch nicht die neue Straße genommen wird. Auch wo uns der Fahrer absetzt, bleibt ihm überlassen.

Wir fühlen uns veräppelt. Denn selbstverständlich war das Englisch der Verkäuferin gut genug und sie hat uns genau die Dinge versprochen, die am Ende nicht gehalten wurden. Und wir fühlen uns machtlos, denn in diesen Fällen ist man dem Zufall (in diesem Fall: dem Fahrer) ausgeliefert.

Wie gerne hätten wir die dreifache Summe bezahlt, um einen Minivan nur für uns zu chartern. Wir hätten uns Route, Pausen und Geschwindigkeit selbst aussuchen können. Wir hätten gar nicht übers Geld nachgedacht, wenn wir vorher gewusst hätten, wie es um die Versprechen steht.

Der sicherlich gut gemeinte Ratschlag der Agentur, es alles ein bisschen lockerer zu sehen und das abschließende „This is Laos“ wirken bei diesem Höllentrip allerhöchstens noch ironisch und zeigt uns wieder einmal, dass nicht alles auf einer Reise klappt. Ganz egal, wie gut man sich vorbereitet.

Ihr seht es uns nach, wenn wir an diesem Tag anderes zu tun hatten als zu fotografieren. Immerhin hat es für ein paar Fotos gereicht: