Ärger? Nervfaktor? Davon war bisher nie die Rede! Aber trotzdem gibt es im Outback allen Grund, sich immer, ständig, pausenlos und ohne Unterbrechung zu ärgern. Zumindest tagsüber. Fangen wir einmal anders an: Bei unserem letzten Besuch in Australien im März 2010 drang irgendwann der Begriff „Aussie Salute“ zu uns vor. Am besten veranschaulicht ein gespielter Witz diesen Begriff und dieser ist vermutlich nur halb so lustig, wenn man ihn beschreibt. Egal, versuchen wir es:

Frage: Wie begrüßen sich zwei Aussies?
Antwort (gespielt): Heftiges Wedeln von links nach rechts und zurück mit der rechten Hand direkt vorm Gesicht.

Kapiert? Nein? Keine Sorge. Wir damals auch nicht. Aber spätestens seit wir auf unserer zweiten Weltreise Port Augusta verlassen haben und kurz hinter der Stadtgrenze ins Outback vorgedrungen sind, wissen wir, dass der Witz in Wirklichkeit auch gar nicht witzig ist, wenn man akut selbst davon betroffen ist. „Betroffen? Wovon betroffen?“, könntet ihr euch jetzt fragen. Und da sind wir beim Auslöser des Wedelns.

Bevor wir diesen Auslöser nennen, wollen wir euch sagen, dass auch wir unaufhörlich gewedelt haben. Selbst Darian wurde es irgendwann zu bunt und er hat zumindest sehr irritiert mit den Augen gezwinkert und seine Hände unkontrolliert bewegt. Jetzt wird es aber Zeit, euch zu sagen, worüber wir uns jeden einzelnen Tag im Outback geärgert haben: Es sind Fliegen. Ganz ordinäre australische Buschfliegen, etwas kleiner als die, die wir von zu Hause kennen. Das verschafft ihnen einen wichtigen Vorteil: Sie können auch in jede noch so kleine Körperöffnung schlüpfen.

Fliegen? Wie jetzt? Ein eigener Artikel? Und dann so ein Aufriss wegen ein paar Fliegen? Wir hören euch schon seufzen und stellen uns vor, wie ihr die Augenbrauen in der Mitte nach oben zieht, weil ihr das für völlig übertrieben haltet. So schlimm können ein paar Fliegen doch nicht sein! Glaubt uns: Doch, so schlimm können ein paar Fliegen sein. Schlimmer sogar. Schlimmer als alles, was man sich bisher über Fliegen vorzustellen wagte.

Ich öffne die Fahrertür von Ken, unserem Wohnmobil. Ein paar Meter entfernt wartet eine grandiose Fotokulisse auf mich, wir stehen auf dem Parkplatz bei einem der vielen Lookouts. Es dauert keine 3 Sekunden, bis sich die ersten Fliegen um meinen Kopf versammelt haben. Ums Gesicht, genauer gesagt. Um ganz präzise zu werden: Die Fliegen werden magisch angezogen von Augen, Nasenlöchern, Ohren und Lippen.

Wir haben Untersuchungen angestellt: Die Fliegen interessieren sich nicht die Bohne für den Hinterkopf oder für die Haare. Auch nicht für andere unbedeckte Stellen wie Arme oder Beine. Und schon gar nicht für Stellen mit Kleidung. Nein, es muss das Gesicht sein. Weitere 3 Sekunden später ist aus einer Handvoll Fliegen schon ein Dutzend geworden und spätestens jetzt fange ich ganz automatisch an zu wedeln. Und zu fluchen, erst innerlich für mich ganz alleine, dann leise und recht bald laut und unmissverständlich.

Als ob es einen Wettbewerb gäbe, welche Fliege am meisten Körperöffnungen in einer Minute von innen sieht oder als ob es ihnen Vorteile bei der Fortpflanzung verschaffen würde, machen sich die Fliegen über mein Gesicht her. Fliegen im Ohr finde ich anfangs noch ganz witzig und wedle daher ganz typisch von links nach rechts vor dem Gesicht und weniger von vorne nach hinten an den Seiten. Das ändert sich schnell, denn die Frage, ob es in der Nase oder im Ohr mehr kitzelt, kann nicht beantwortet werden. Beides ist unglaublich nervig.

Und was, wenn sich eine Fliege den Ausgang nicht mehr findet? So weit ins Ohr kriecht, dass sie für immer dort bleibt? Glücklicherweise sind die Insekten so schlau, dass sie den Ausgang immer wieder finden. Sonst könnten sie ja nicht ihren Kollegen helfen, die gerade die Schicht am Auge übernommen haben und langsam eine Ablösung brauchen. Fliegen am Auge sind das Schlimmste. Wenn man nicht schnell genug wedelt, wird aus am Auge auch ganz fix im Auge. Zumindest auf die Wimpern gehen die Fliegen ohne Scheu, manche schaffen es auch weiter.

Dauerblinzeln kann auch keine Lösung sein, so versuchen wir es mit unseren Sonnenbrillen. Schon gibt es einen sensiblen Angriffspunkt weniger. Dachten wir. Obwohl wir bei der Wahl unserer Sonnenbrillen weder auf Marken noch auf stylisches Aussehen Wert gelegt haben, sondern eher darauf, dass sie unsere Augen schützen und in allen Richtungen möglichst dicht mit dem Gesicht abschließen, sind diese kleinen Öffnungen für manche besonders aggressive Fliegen kein Hindernis. Und wenn es eine Fliege erst einmal zwischen Sonnenbrille und Auge geschafft hat, muss die Sonnenbrille runter, um die Fliege in die Freiheit zu entlassen. In genau diesem Moment haben aber die anderen Fliegen freie Bahn und das Spiel beginnt von vorne.

Jeder Supermarkt im Outback, der etwas auf sich hält, verkauft Fliegennetze: Ein passend zugeschnittenes grobmaschiges Netz wird über Hut oder Mütze gezogen und am Hals fixiert, schon ist Ruhe. Sollte man meinen. Das funktioniert aber nur, wenn die Kopfbedeckung über eine Krempe verfügt, die groß genug ist, um das Netz zumindest einen Zentimeter vom Gesicht entfernt zu halten. Oft genug haben wir bei anderen beobachtet, dass sich die Fliegen dann einfach aufs Netz setzen. In Augen, Mund, Nase und Ohren geht dann zwar nicht, aber in der Nähe des Gesichts ist doch schon mal ein Anfang.

Oft laufen wir an diesen Netzen vorbei, die hier meist für unverschämte Preise verkauft werden. Anfangs sind uns alle Netze zu teuer, gegen Ende unserer Zeit im Outback sagen wir uns, dass es sich jetzt auch nicht mehr lohnt. Im Nachhinein, ein paar fliegenfreie Wochen später, müssen wir aber sagen: Ein Netz gehört zur Grundausstattung fürs Outback. Wie Unterhosen, Socken und ein gutes Deo. Es gibt keinen Grund, sich schon zu Hause eines zuzulegen und mitzunehmen, aber sobald man die ersten Wedelbewegungen bei sich selbst festgestellt hat, ist es an der Zeit, den nächsten Supermarkt aufzusuchen. Es lohnt sich, das solltet ihr spätestens nach diesem Artikel verstanden haben.

Auch ohne Netz schaffe ich es meistens von der Fahrertür zu einer guten Fotoposition beim Lookout. Wenn die Plage nicht allzu schlimm ist, reicht es manchmal sogar für ein zweites Foto ein paar Schritte weiter. Ich kann mich an wenige Male erinnern, als die Fliegen aber so anhänglich waren, dass ich lieber direkt wieder zurück in den Camper geklettert bin.

Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Viele Hundert Fliegen waren natürlich auch in unserem Camper, wenn wir mal wieder die Tür oder ein Fenster nicht schnell genug geschlossen haben. Hier zeigen sich die Biester aber recht zahm, tummeln sich an Front- und Seitenscheiben und suchen den Ausgang. Fliege am Seitenfenster, Fenster auf während der Fahrt, Sogwirkung, Fliege weg. Das funktioniert immer.

Jetzt, wo ihr über die gemeine Outbackfliege mehr Details kennt, als ihr jemals wissen wolltet, werdet ihr die Fotos unserer Artikel über das Outback bestimmt noch besser finden als vorher schon. Von den Fliegen selbst haben wir keine Fotos gemacht, aber ein paar Videos, die ihr in unserem nächsten Weltreise-Film sehen könnt. Lasst euch überraschen!