Die Great Ocean Road liegt hinter uns, wir fahren an Geelong vorbei und weiter durch Melbourne. Um die kostenpflichtigen Umgehungsstraßen zu vermeiden, lassen wir uns vom Navi mitten durch die Millionenstadt lotsen. Auch wenn die 190 heute gefahrenen Kilometer nicht nach viel klingen, fühlen sie sich doch so an wie mindestens 500 km im Outback.

Wir sind froh, als wir am frühen Abend endlich in Frankston ankommen. Heute besuchen wir Nadja und Marc, bei denen wir auf unserer ersten Weltreise schon eine Nacht verbracht haben. Im Hog’s Breath Café gibt es Burger und zum Nachtisch einen riesigen Eisbecher.

Am nächsten Morgen packen wir Nadja in unseren Camper und machen einen Ausflug auf die südlich gelegene Insel Phillip Island. Der Phillip Island Wildlife Park im Norden der Insel ist mit 17 AUD (ca. 12 Euro) Eintritt wirklich günstig, mehr kann man hier offenbar nicht verlangen. Der komplette Park mit allen seinen Absperrungen, Gittern, Käfigen, Terrarien, Zäunen und Freilandgehegen ist unübersehbar in die Jahre gekommen, für die dringend nötigen Renovierungsarbeiten fehlt wohl das Geld.

Obwohl es schon fast dunkel ist, als wir wieder in Frankston ankommen, fahren wir noch eine gute Stunde weiter nach Melbourne. Auf dem Weg durch die Stadt – wir wollen wieder die Mautstraßen umgehen – übersehe ich alle Warn- und Umleitungsschilder, die uns vor einer Brücke warnen, die für unseren 3,50 m hohen Camper ein paar Zentimeter zu niedrig ist. Erst kurz vorher fällt Marsi das letzte Schild direkt an der Brücke auf, sonst hätten wir wohl ein Cabrio-Bett über der Fahrerkabine gehabt.

Unseren letzten Tag auf dem australischen Festland verbringen wir im Zentrum von Melbourne, die sympathische Innenstadt hat uns im April 2011 schon gut gefallen. Zu gern wären wir mit Bus und Bahn von unserem Campingplatz in die Stadt gefahren, doch inzwischen wurde ein neues System im öffentlichen Nahverkehr eingeführt: Einzelne Fahrkarten gibt es nicht mehr zu kaufen, weder an den Bahnhöfen noch beim Fahrer. Stattdessen wird die Benutzung einer wiederaufladbaren Karte verlangt, die man beim Ein- und Aussteigen an ein Gerät hält, um Fahrten zu protokollieren und den entsprechenden Betrag vom Guthaben auf der Karte abzuziehen. Das System lernten wir in Singapur schon kennen, es hat eigentlich nur Vorteile. Wenn man aber nur ein Mal im Leben mit Bus und Bahn in Melbourne fahren möchte, gibt man keine 10 AUD (7 Euro) für eine Karte aus, die man sonst nie wieder einsetzen kann. An die Touristen hat man wohl in Melbourne nicht gedacht, in Singapur kann man nämlich nach wie vor auch mit Bargeld Einzelfahrscheine kaufen.

Stattdessen fahren wir mit dem Camper ein paar Kilometer zum Einkaufszentrum Harbour Town. An der Rezeption wurde uns gesagt, dass man hier auch mit einem großen Camper für günstige 10 AUD einen Parkplatz für den ganzen Tag finden könnte. Über eine halbe Stunde fahren wir rund um das riesige Zentrum und klappern alle Parkplätze ab. Die günstigen sind schon voll, in eine Tiefgarage passen wir leider nicht und selbst für die teureren Parkplätze (13 AUD) ist unser Camper einfach zu lang, um mit einem Platz auszukommen. Für 2 Tickets sind wir zu geizig, wir fahren lieber noch eine Runde ums Zentrum und finden schließlich einen großen Parkplatz, auf dem wegen Renovierungsarbeiten nicht alle Parkbuchten eingezeichnet sind. Wir stellen uns passend mit dem Heck zur Linie auf einen der eingezeichneten Plätze und lösen ganz frech nur ein Ticket. Dass unser Camper nach vorne gut 2 m übersteht, stört wegen der Baustelle niemanden.

Vom Einkaufszentrum gibt es einen Sightseeing-Shuttlebus, der uns mitten in die Stadt zur Flinders Street bringt. Wir steuern unser heutiges Highlight an, es liegt auf der anderen Seite des Yarra Rivers, der durch Melbourne fließt. Der Eureka Tower mit seiner eigenartig-modernen Form ist mit 297 m der zweithöchste Wolkenkratzer der Südhalbkugel, er wurde erst 2006 nach über 5 Jahren Bauzeit fertiggestellt. Auf dem 88. Stock befindet sich das Eureka Sky Deck, für 19,50 AUD (ca. 13,50 Euro) pro Person kann man Melbourne von oben bewundern. Das alleine genügt uns aber nicht: Für weitere 12 AUD (8,40 Euro) pro Person lösen wir Tickets für „The Edge“. Wir bekommen einen Buzzer in die Hand gedrückt, der uns Bescheid geben soll, wenn wir für diesen einzigartigen Nervenkitzel an der Reihe sind.

Nur 40 Sekunden dauert es, bis der Aufzug uns vom Erdgeschoss in den 88. Stock auf 285 m Höhe gebracht hat. Dabei bemerken wir weder die Beschleunigung des Fahrstuhls noch die Geschwindigkeit von über 9 m/s. Stattdessen schauen wir verwundert auf das Display und sehen, wie schnell die Stockwerke an uns vorbeirauschen.

Das 88. Stockwerk, das Sky Deck, kann komplett umrundet werden, um Melbourne von allen Seiten zu sehen. Weit kommen wir nicht, als es in meiner Hosentasche vibriert. Der Buzzer, stimmt ja. Wir sind dran, The Edge wartet auf uns. Zusammen mit 4 weiteren Touristen steigen wir in eine kleine Kammer. Noch sehen wir nichts, Boden und Wände sind milchig und undurchsichtig, während wir uns langsam und fast unspürbar bewegen. Die komplette Kammer fährt jetzt 3 m aus dem Gebäude heraus, bis sich unter uns nichts mehr befindet. 285 m sind es bis zum Boden, als das milchige Glas auf dem Boden plötzlich durchsichtig wird. Wir stehen auf 4 cm dickem Glas und schauen mit großen Augen in die Tiefe. Auch die Seitenteile werden jetzt auf einmal durchsichtig und wir wissen gar nicht, wohin wir zuerst schauen sollen. Film- und Fotoaufnahmen sind in der Kammer leider verboten, das ist aber auch gar nicht nötig. Die 5 Minuten werden uns auch ohne ein Foto in spannender Erinnerung bleiben, die 12 Extra-Dollar pro Person sind gut investiert. Wir umrunden das Stockwerk noch ein paar Mal im Inneren, fahren in 40 Sekunden ins Erdgeschoss und mit der kostenlosen Sightseeing-Tram zurück zum Einkaufszentrum, wo wir unseren Camper geparkt haben.

Ganze 5 Wochen lang war unser Camper Ken unser Zuhause. Wir haben in ihm geschlafen und gekocht, haben ihn Berge hinauf und wieder hinunter und ein paar Tausend Kilometer durchs staubige Outback getrieben. Er war allzeit ein treuer und zuverlässiger Kumpel, jetzt wird es Zeit für den Abschied. Genau 6.644 km mehr als noch vor 5 Wochen sind auf Kens Kilometerzähler, als wir ihn am nächsten Mittag in der Filiale unseres Vermieters abgeben. Auch wenn wir uns oft genug über diese und jene Kleinigkeit und vor allem über den Lärmpegel während der Fahrt geärgert haben, werden wir uns Ken noch oft genug zurückwünschen. Schon am übernächsten Tag werden wir feststellen, dass es auch andere Camper gibt: weder treu noch zuverlässig noch Kumpel.

Bevor wir nach Tasmanien aufbrechen, nach „Under Down Under“, seht ihr noch ein paar beeindruckende Fotos unserer letzten Tage im Süden Australiens: