Schon den zweiten Tag sind wir unterwegs im Outback und noch lange nicht am Ziel. Wir haben Hunderte von Kilometern hinter uns gebracht, ohne eine Stadt, manchmal sogar ohne ein anderes Auto zu sehen. Der Stuart Highway macht es einem heutzutage einfach, das zentrale Outback zu bereisen und Australien von Süden nach Norden oder umgekehrt zu durchqueren.

Unsere erste Nacht verbringen wir ein paar Kilometer hinter der Ortschaft Glendambo. Diese ist zwar so klein, dass sie auf einer normalen Straßenkarte sicherlich keine Erwähnung verdient hätte, hier draußen aber gibt es so wenige Städte, dass es sogar Ansammlungen von wenigen Häusern auf die Karte schaffen.

Coober Pedy erreichen wir um die Mittagszeit. Dieser Ort liegt ungefähr in der Mitte der Strecke zwischen der Küste im Süden (Port Augusta) und der größten Stadt im Roten Zentrum (Alice Springs). Über den Ortsnamen darf man sich wundern, denn englische Begriffe sind weder Coober noch Pedy. „Kupa piti“ stammt aus der Sprache der Aborigines, so lernen wir, und bedeutet so viel wie „Weißer Mann im Loch.“ Einen treffenderen Begriff hätte man für diesen Ort nicht ins Englische übernehmen können.

Wir verbringen die Nacht im Oasis Tourist Park, einem kleinen staubigen Campingplatz am Rand der Ortschaft, die nicht einmal 2.000 Einwohner hat. Zu Fuß machen wir uns auf den Weg zum City Centre, nur ein paar Minuten müssen wir laufen. Hier auf der Hauptstraße gibt es wirklich alles, was man zum Leben braucht: Supermärkte, Restaurants, Tankstellen, Geldautomaten, Ateliers mit Aborigines-Kunst und vor allem Opalgeschäfte. In Coober Pedy dreht sich alles um Opale, denn ohne diese würde es den Ort heute bestimmt nicht geben.

So genau wissen wir auch nicht, was eigentlich ein Opal ist, also besuchen wir einen der vielen Läden, in denen Opalschmuck verkauft wird. Ein amorphes Mineral aus hydratisiertem Kieselgel, jetzt wissen wir schon mehr. Gel schmierte ich mir bis zum heutigen Tag allerhöchstens in die Haare. Wikipedia verrät uns, dass es vor allem auf die Kieselgelkugeln ankommt, auf ihre Größe, ihre Anordnung und die Dichte, in der sie im Opal vorkommen. Obwohl das Gel eigentlich farblos ist, macht das einzigartige Farbenspiel den Opal so begehrenswert, das erst durch Verunreinigungen zustande kommt.

Kieselgel also, mit ein bisschen Dreck, fertig ist der wertvolle Stein. So ist es natürlich nicht ganz, es wäre ja zu einfach. Im Gegensatz zu Edelsteinen sind bei der Entstehung von Opal weder Druck noch Hitze beteiligt. Kieselsäurehaltige Flüssigkeiten verlieren über die Zeit das Wasser und werden zu Kieselsäure-Gel, welches wiederum nach noch längerer Zeit fest wird. Viel mehr Details konnten wir uns auch nicht merken. Beeindruckender finden wir jedoch, wie die Opale aussehen, die man im Ort verkauft. Tatsächlich schimmern sie in allen Farben, manche schimmern auch gar nicht und sind noch wertvoller als die schimmernden.

Da Opale ausschließlich als Schmucksteine verwendet werden, gibt es sie auch in Coober Pedy hauptsächlich in Halsketten, Ringen, Ohrringen und sonstigem Geschmeide. Fast alle Opale der Welt werden heute in Australien gefunden und ein Großteil dieser Opale stammt von den Minen um Coober Pedy. Bereits 1915 entdeckte man, dass es hier unter der Erde die begehrten Steine tonnenweise gibt und diese die Qualität von Opalen der bisherigen Fundstellen in Europa in den Schatten stellen.

Für heute haben wir uns genug fortgebildet, nach einem Mittagsschlaf machen wir uns auf zu Josephine’s Gallery & Kangaroo Orphanage. Die Galerie lassen wir links liegen, obwohl ein Künstler gerade vor unseren Augen ein beachtlich großes Bild malt und Pinselstrich für Pinselstrich zum Kunstwerk werden lässt. Wir sind aber wegen der Kängurus hier. Pünktlich um halb fünf geht Terry mit uns und den wenigen anderen Besuchern in den Hinterhof, verschwindet für eine Minute und kommt mit ein paar Kängurus wieder zurück. Orphanage bedeutet Waisenhaus, die hier lebenden Kängurus hatten bestimmt nicht alle eine glückliche Kängurukindheit. Wir und die anderen Besucher bekommen Banana Chips und Wasabi-Nüsse in die Hand gedrückt, die wir in der nächsten Viertelstunde an die hungrigen Kängurus verfüttern dürfen.

Terry pflegt derweil sein Nachmittags-Ritual: Er setzt sich auf einen Stuhl mitten zwischen die Kängurus, raucht gemütlich eine Zigarette und erzählt, seit wann er das Waisenhaus betreibt und warum es wichtig ist, ihn dabei zu unterstützen. Dann verschwindet er wieder für ein paar Sekunden und kommt mit einer Handtasche zurück, an deren oberes Ende er eine kleine Baby-Trinkflasche hält. In der Tasche eingewickelt ist ein Joey, ein Baby-Känguru, das eigentlich noch den Schutz des Beutels seiner Mutter bräuchte, welche aber leider nicht mehr lebt.

Wir verlassen das Känguru-Waisenhaus wieder und wollen den Staub des langen Tags von uns waschen, ich gehe zuerst in die Dusche auf unserem Campingplatz. Hier machen wir Bekanntschaft mit einer weitere Eigenheit von Coober Pedy: Wasser kostet Geld. 3 Minuten unter der warmen Dusche kosten zum Beispiel 20 Cent (0,15 Euro). Wenn mein Vorgänger in der Dusche nicht zufällig seine Münze neben dem Einwurf hätte liegen lassen, hätte ich frisch eingeschäumt die Dusche verlassen müssen. Nach 3 Minuten hört nicht etwa nur das warme Wasser auf zu fließen, sondern man steht einfach im Trockenen.

Um Coober Pedy mit Trinkwasser zu versorgen und nicht auf Lieferungen aus den wasserreicheren Gegenden Australiens angewiesen zu sein, wird hier – ungenießbares – Wasser von 60 m unter der Erde nach oben gepumpt und in einem kleinen Wasserwerk unweit unseres Campingplatzes entsalzt und durch Umkehrosmose auf eine Qualität gebracht, von der viele australische Großstädte nur träumen können. Darauf ist man in Coober Pedy stolz, aber das hat auch seinen Preis.

Während wir auf allen anderen Campingplätzen unseren Frischwassertank im Camper kostenlos auffüllen können, gibt es hier einfach gar keinen Wasserhahn, den wir dafür benutzen könnten. Auf der Straße um die Ecke gibt es eine vollautomatische Wassertankstelle, wieder sind 20-Cent-Münzen gefragt. Für diesen Betrag gibt es hier 30 Liter frischestes Wasser über eine Zapfpistole vom Wasserwerk direkt in den Tank unseres Campers.

Während wir den Ort am nächsten Tag Richtung Norden verlassen, sehen wir noch viele Kilometer lang die kleinen und großen weiß-roten Hügel der Opalminen in den end- und irgendwie auch trostlosen Feldern links und rechts der Straße.

Genug von Coober Pedy für den Moment. Nach einer Woche in Alice Springs und beim Uluru kommen wir auf dem Rückweg noch einmal vorbei. Wir bleiben wieder nur eine Nacht und buchen für den Morgen eine Tour. Mit ein paar australischen Touristen steigen wir um kurz nach 8 Uhr in einen alten klapprigen Bus, auch unser Sohn Dari ist dabei. Einen Kindersitz gibt es zwar nicht, aber unser Tourguide, der gleichzeitig der Fahrer ist, fährt so gemütlich, dass wir hier nichts zu befürchten haben. Rudi heißt er, so steht es auf dem Schild an seinem Hemd. Ich kann mir einen Kommentar nicht verkneifen und sage ihm, dass ich diesen Namen mit dieser Schreibweise eher in unsere Heimat stecken würde als ins australische Outback.

Daraufhin erzählt Rudi in bestem Österreichisch seine Geschichte: 1959 wanderte er nach Australien aus, versuchte sein Glück zuerst an einem anderen Ort und kam dann als Opalschürfer nach Coober Pedy. Hier lebt er seither, fühlt sich ganz und gar wohl in diesem staubigen Teil des Kontinents und möchte, wie seine verstorbene Frau, eines Tages hier begraben werden. Dass er schon Mitte 70 ist, sieht und merkt man ihm wahrlich nicht an.

Die nächsten 3 Stunden verbringen wir mit Rudi und den anderen Touristen in und um Coober Pedy. Er fährt uns zu den Opalfeldern am Ortsrand, denn innerhalb des Orts darf schon lange nicht mehr geschürft werden. Theoretisch kann jeder für ein Jahr eine Parzelle für wenig Geld mieten und nach Opalen suchen, eine solche Parzelle ist immer 50 m breit und wahlweise 50 oder 100 m lang. Viele sind noch nicht vergeben oder zumindest haben die Pächter noch nicht mit der Suche begonnen.

Hier sehen wir endlich, was es mit den vielen Erdhügeln und den Warnschildern auf sich hat: Um festzustellen, ob auf einer Parzelle mit Opalfunden gerechnet werden kann, bohrt eine Maschine ein Loch in die Erde, der Aushub wird daneben angehäuft. Ein solches Loch ist breit genug um hineinzufallen und tief genug, um es nicht mehr lebend zu verlassen. Meistens wird ca. 22 m tief gebohrt, da man in dieser Tiefe eine opalhaltige Schicht vermutet. Nicht nur unvorsichtige Touristen fallen ab und an in die Löcher, auch Profis übersehen sie manchmal, weiß Rudi uns zu erzählen.

Die größte Spezialität von Coober Pedy ist aber – neben den Opalen – alles, was man durch „Underground“ beschreiben kann. Hier wird so ziemlich alles underground gemacht: Schlafen, kochen und essen, fernsehen, chillen und beten. Hier in der Wüste herrscht ein gnadenloses Klima: Während bei unserem Besuch die Temperaturen die 35-Grad-Marke kaum übersteigen, kann es im Sommer (im europäischen Winter) schon mal unerträgliche 40 Grad oder wärmer werden. Um auch bei diesen Temperaturen ein erträgliches Leben in unmittelbarer Nähe der Opalfelder führen zu können, begann man vor vielen Jahrzehnten, unterirdische Wohnungen zu bauen. Man nennt sie Dugouts (von „to dig out“).

Inzwischen lebt der Großteil der Bevölkerung unterirdisch und lacht bei konstanten 23 Grad über die Hitze und die Sandstürme über der Erde. Auch Touristen können echtes Underground-Feeling erleben: Es gibt Touren durch die Dugouts und zahlreiche unterirdische Hotels für jedes Budget, in denen man sich einmieten kann. Ein Untergrund-Campingplatz für Campervans ist wohl die Marktlücke, denn wir müssen unsere Wohnung immer noch überirdisch auf dem Campingplatz parken.

Nach den Opalfeldern fahren wir an einem Golfplatz vorbei. Während sich die Größe des Platzes durchaus sehen lassen kann, fehlt ihm doch etwas Entscheidendes: Gras, denn die Pflege eines Rasens wäre hier im Outback – sofern überhaupt möglich – schlicht unbezahlbar. Trotzdem erfreut sich der Golfsport hier großer Beliebtheit.

Nur ein paar Minuten entfernt auf der anderen Seite des Orts liegt die Serbian Underground Church mit dem Namen „Saint Elijah“. Warum nicht auch eine Kirche unter der Erde bauen, wenn man doch sonst schon fast alles unterirdisch macht? Wir sind mehr als beeindruckt vom Inneren der orthodoxen Kirche, die tief in den hellroten Berg gegraben wurde.

Zum Schluss besuchen wir ein Museum in einem ehemaligen, inzwischen nicht mehr als Wohnung genutzten Dugout. Viele Meter unter der Erde staunen wir nicht schlecht, wie gemütlich man es hier hat. Ich persönlich hätte dem Bau wohl ein paar Zentimeter mehr Deckenhöhe spendiert, aber vielleicht sind die ehemaligen Bewohner ja nicht so groß gewesen. Einzig die Vorstellung, dass man bis vor nicht allzu langer Zeit sowohl die Opalminen als auch die Dugouts in Handarbeit ausgraben musste, wirkt befremdlich, wo es doch heute für fast alles eine passende Maschine gibt. Diesen Luxus gab es aber in jungen Opalschürfer-Jahren noch nicht, sodass auch unser Museums-Dugout einer ist, dem man die Handarbeit an Wänden und Decken ansieht.

Wir gehen einen langgestreckten Gang nach oben und landen in einem großen Show Room. Fast fühlen wir uns wie auf einer Kaffeefahrt, nur dass man hier eben Opale verkauft und keine Bettdecken oder Kochtöpfe. Wir werden aber nicht zum Kauf gedrängt, noch nicht einmal dazu animiert. Statt Opale zu kaufen, vergnügen wir uns bei kostenlosem Kaffee und warten auf den Rest unserer Gruppe, bis wir nach über 3 Stunden wieder auf unserem Campingplatz ankommen.

Lieber Rudi, solltest du diesen Artikel irgendwann einmal lesen: Wir danken dir sehr für diesen tollen Vormittag und wünschen dir noch viele tolle spannende Jahre in deiner Wahlheimat Coober Pedy!

Ein paar Minuten vor dem Campingplatz erleben wir das Outback von einer ganz ungemütlichen Seite, ein heftiger Sandsturm zieht auf. Zuerst sehen wir nur kleine rötliche Windhosen auf den Hügeln, dann wird die Sicht trüb und wir trauen uns kaum mehr, aus dem Auto auszusteigen. Einmal draußen, schon sind nach wenigen Sekunden Mund, Nase und Augen voller Sand und Staub. Zwei Vorteile hat der Sandsturm aber für uns: Die lästigen Fliegen sind verschwunden und wir haben auf dem Weg nach Süden Rückenwind, was uns einen geringfügig niedrigeren Kraftstoffverbrauch beschert.

Obwohl wir nicht sehr viel Zeit in diesem skurrilen Ort verbracht haben, gibt es eine ganze Menge zu erzählen. „Coober Pedy’s not for everyone“ kommt uns da wieder in den Sinn. Das stimmt definitiv, nicht jedem mag es hier gefallen. Auch für uns käme ein Leben hier nicht infrage, weder über noch unter der Erde. Aber einen Besuch ist Coober Pedy ganz sicher wert, und wir würden auch in Zukunft jederzeit wieder ein paar Nächte hier verbringen.

Solltet ihr einmal in der Gegend sein: Lasst euch die Chance nicht entgehen und lernt das Leben von einer anderen Seite kennen. Und grüßt Rudi von uns, solltet ihr in das Vergnügen kommen, ihn als Tourguide zu haben. Ein paar kleine Eindrücke müssen bis dahin als Vorgeschmack genügen: