Da sind wir wieder mit dem zweiten Teil unseres wahren Bangkok-Krimis. Wer den ersten Teil verpasst hat, kann hier alles nachlesen.

Was bisher geschah

Meine Eltern sind wieder zurück nach Deutschland geflogen. Man hat uns am selben Tag Bargeld im Wert von über 400 Euro aus dem Hotelzimmer gestohlen. Marsi hat sich in einer Privatklinik in Bangkok ihre Sehschwäche korrigieren lassen. Am Tag darauf liege ich mit unerklärlichem Fieber im Bett, sonst gibt es nicht viel Neues.

Glück im Unglück

Tag 3 unserer Geschichte beginnt wieder mit Fieber. Mir geht es zwar etwas besser, es sind nur noch über 38 Grad, aber ich fühle mich immer noch nicht gut. Richtige Symptome habe ich aber immer noch nicht. Marsi geht alleine zum Frühstück und kommt einige Zeit später zurück ins Zimmer und strahlt:

Du wirst es nicht glauben, die haben den Dieb!

Die haben WAS? Anscheinend wurden doch CSI und Scotland Yard eingeschaltet, so schnell wie das ging! Wir sind überrascht und guter Dinge, doch gehen wir davon aus, dass der Dieb das Geld längst weggeschafft hat und wir außer dem guten Gefühl, dass er mit juristischen Schritten zu rechnen hat, keinerlei finanziellen Ausgleich bekommen werden.

Kurze Zeit später erhalten wir einen Anruf von der Rezeption, ich liege halbwach im Bett und hört Marsi Dinge sagen wie „Really?“ und „What a surprise!“. Sie berichtet, dass auch das Geld inzwischen aufgetaucht sei und wir in einer halben Stunde einen Termin auf dem Polizeirevier hätten.

Auf dem Polizeirevier in Bangkok

Ich werfe mir zwei Paracetamol ein, um das restliche Fieber für die nächsten Stunden erträglicher zu machen, schon sitzen wir mit den beiden Managern vom Hotel im nagelneuen Minibus, 5 Minuten später fahren wir auf einen fürchterlich zugeparkten Hinterhof, wir sind im Polizeirevier. Das Büro des Polizisten sieht nicht aus wie bei K11 oder wie früher bei Derrick, vielmehr ist es ein ungemütlich beleuchteter Raum mit ein paar Tischen, schmuddeligen Wänden, Aktenschränken und ein paar ranzigen schwarzen Stühlen. Hier setzt man offensichtlich auf direkte Konfrontation, denn der Dieb sitzt schon im Raum und wartet auf uns, auf dem Tisch liegt eine ansehnliche Menge 1000-Baht-Scheine.

Auch die beiden Hotelmanager sitzen mit am Tisch. Von dem, was in der nächsten Viertelstunde gesprochen wird, verstehen wir nichts. Es ist niemals laut. Ruhig reden die Parteien miteinander, der Dieb telefoniert fast ununterbrochen, der Polizist füllt ein Formular aus und irgendwoher kommt noch etwas mehr Bargeld auf den Tisch. Ich lasse mir den verfassten Bericht übersetzen und unterschreibe ihn. Vor uns liegt der komplette gestohlene Betrag, nicht dieselben Scheine, die gestohlen wurden, sondern andere. Der Wert der gestohlenen Euros und Dollars wird in Baht umgerechnet und wir bekommen alles zurück.

Wir freuen uns riesig, sofern man sich in einer solch ungewohnten Umgebung freuen kann oder darf. Äußerst befremdlich für uns hält der Polizist seine Kamera weit über uns und macht ein Foto von mir und dem Dieb, welcher gerade – natürlich gestellt und nur fürs Foto – die gestohlenen Scheine an mich zurückgibt. Die „Übergabe“ muss für die Akten dokumentiert werden.

Zwischendurch kommt der General Captain (der Polizeichef) ins Büro, legt seine Marlboros auf den Tisch, startet seinen Rechner und verschwindet wieder zum Mittagessen. Wir verlassen das Polizeirevier, bedanken uns bei dem Polizisten für seine Arbeit und sitzen wieder im Minivan.

Als nächstes fahren wir in ein kleines Restaurant, wo wir uns mit denjenigen treffen, die die rasche Aufklärung dieses spannenden Falls überhaupt erst ermöglicht haben. Wir sitzen gemütlich am Tisch, fantastisches Essen wird serviert und wir genießen die Situation.

Die Aufklärung

Jetzt fragt ihr euch bestimmt, was passiert ist und wie das alles möglich sein kann. Und natürlich, wer der Dieb denn ist. Hierzu nochmal die Fakten: Das Geld war weg, als Hauptverdächtige kommen zwei Putzfrauen und ihre direkte Vorgesetzte (die Supervisor-Putzfrau) infrage. Natürlich leugnen alle den Diebstahl, vielleicht decken sie sich damit gegenseitig und das Geld wurde unter ihnen aufgeteilt. Unter diesen Umständen hätte sich der Fall wohl niemals aufklären lassen, denn die eventuell hinterlassenen Fingerabdrücke wären in diesem Leben bestimmt nicht mehr von den Beweisstücken gesichert worden.

Aber der Dieb hat seine Rechnung ohne unseren Zimmernachbarn schräg gegenüber gemacht! Und jetzt kommt das Unglaubliche aber Wahre, anscheinend hat sich der gesamte Welt-Zufalls-Vorrat in einem bestimmten Moment genau in Bangkok versammelt und uns geholfen. Nachdem wir unser Zimmer um die Mittagszeit verlassen haben, schließt die Supervisor-Putzfrau unser Zimmer auf, die beiden Putzfrauen machen sauber, das Zimmer wird wieder verschlossen. Wir schätzen, dass die Supervisor-Putzfrau gesehen haben muss, dass unser Zimmersafe nicht verschlossen ist und sich etwas darin befindet.

Eine sinnvolle Regel des Hotels besagt, dass in solchen Fällen sofort die Angestellten der Rezeption gerufen werden müssen, die den Safe dann mit einem Generalschlüssel verschließen, bis der Gast wieder eintrifft. In unserem Fall wurde das wohl „vergessen“, stattdessen geht die Supervisor-Putzfrau später nochmal in unser Zimmer, sieht sich den Inhalt des Safes an und nimmt das Bargeld aus meiner Tasche. Einen Großteil des Geldes lässt sie aber zurück, warum auch immer. Beim Verlassen des Zimmers sieht sie sich mehrfach um, ob sie jemand beobachtet, weg ist sie. Das Geld natürlich auch.

Und jetzt kommt unser amerikanischer Zimmernachbar von schräg gegenüber ins Spiel, nennen wir ihn Steve. Vorab sollte erwähnt werden, dass sich in allen Hotelzimmern Fenster zum Innenhof befinden, auch die Zimmertüren sind auf dieser Seite. Die Fenster beginnen aber 2 Meter über dem Boden und füllen die Wand zum Innenhof nach oben bis zur vielleicht 3 Meter hohen Zimmerdecke.

Aus einem selbst für ihn unerfindlichen Grund steigt Steve im richtigen Moment auf einen Stuhl im Zimmer und schaut sich das Hotel, den Garten, vielleicht auch den gegenüberliegenden Tempel durch die hohen Fenster an. Dabei entdeckt er die Supervisor-Putzfrau, als sie gerade unser Zimmer verlässt und sich verdächtig umschaut. Sie kann ihn nicht sehen, denn viel mehr als Steves Kopf ragt nicht über die Wand hinaus, er wiederum hat aber den vollen Überblick. Er sieht nicht, ob sie unser Geld bei sich trägt und überhaupt ist ja nichts Ungewöhnliches dabei, wenn eine Hotelangestellte, einfach zu erkennen an der Kleidung, ein Zimmer betritt oder verlässt. Aber diese Angestellte kommt ihm irgendwie verdächtig vor. Er diskutiert mit seiner Freundin, ob etwas unternommen werden muss, aber sie einigen sich darauf, dass dies wohl ganz normal sei und man ja niemanden anschwärzen wolle, wenn die Angestellte wahrscheinlich nur ihren Job erledigt.

Am nächsten Tag braut sich wieder eine riesige Zufallsvorrats-Wolke über Bangkok zusammen, denn mitten im lockeren Gespräch mit einem Hotelangestellten erwähnt Steve völlig nebensächlich und gänzlich unaufgefordert, was er am Vortag beobachtet hat. Der Angestellte reagiert sofort und leitet die nötigen Schritte ein. Die Polizei nimmt seine Zeugenaussage auf und die Supervisor-Putzfrau gesteht, als man sie damit konfrontiert. Der Dieb ist also eine Diebin. Die Baht, Euros und Dollars (die Summe entspricht im Übrigen ungefähr ihrem zweifachen Monatslohn) hat sie aber längst ausgegeben und sich ein schickes weißes Handy davon gekauft.

Da sitzen wir also mit allen zusammen im Restaurant, sind überglücklich und danken Steve für sein vorbildliches und umsichtiges Handeln. Wir können es kaum glauben, dass wir das bereits abgeschriebene Geld wieder im Geldbeutel haben und den deutlichen Hinweis, während unser restlichen Reise noch mehr auf unsere Wertsachen aufzupassen, nur mit etwas Aufregung, einem ordentlichen Schrecken und einer spannenden Geschichte bezahlen müssen. Besser kann es gar nicht laufen!

An dieser Stelle möchten wir, auch wenn sie es selbst nicht lesen werden, dem Team unseres Hotels unseren allergrößten Dank aussprechen. Ohne ihre Unterstützung hätte sich der Fall wohl niemals aufgeklärt. Und ganz nebenbei möchten wir allen Bangkok-Reisenden dieses Hotel wärmstens empfehlen. Wenn ihr in dieser riesigen Stadt die perfekte Unterkunft zwischen billiger Absteige und teurem Sternehotel sucht, solltet ihr ganz unbedingt hier einchecken: Feung Nakorn Balcony, in Laufnähe zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten aber doch in einem ruhigen Hinterhof. Zimmer, Sauberkeit und Frühstück sind erstklassig und das Team ist unschlagbar. Und wenn ihr einmal hier vorbeikommt, erwähnt gerne „Daniel and the theft in room 312“ und ihr werdet ein echtes thailändisches Lächeln ernten, wie ihr es selten zu sehen bekommt. Ach ja, die Diebin arbeitet natürlich nicht mehr hier, insofern sind auch eure Wertsachen wieder sicher!

Verlängerung unseres Thailand-Visums

Da war ja noch etwas anderes: mein Fieber und unser Problem mit dem Thai-Visum. Denn eigentlich müssten wir am folgenden Tag das Land verlassen, was aufgrund meines Zustands aber keine Option ist. Wir beschließen also, in den Norden von Bangkok zur Einwanderungsbehörde zu fahren, um unser Visum verlängern zu lassen. Thailand-Reisende bekommen derzeit bei Einreise über den Luftweg an allen internationalen Flughäfen ein kostenloses Visa-on-arrival für 30 Tage in den Pass gestempelt. Bei Einreise auf dem Landweg aus den Nachbarländern bekommt das zwar auch, aber man darf nur 15 Tage im Land bleiben. Dies trifft für uns zu, denn wir kamen ja mit meinen Eltern auf dem Landweg aus Kambodscha nach Thailand zurück.

In dem riesigen modernen Behördenkomplex füllen wir ein Formular aus, kleben ein Passbild auf und ziehen eine Nummer. Schalter K1, Nummer 84 und 85. Wir warten und schauen, wie langsam die Nummern vor uns nacheinander aufgerufen werden, nach einer Stunde sind wir endlich an der Reihe. Es gibt keine Ausnahmen, selbst das Attest von Marsis Augenklinik hilft uns nicht: Eine Verlängerung des Visums um lächerliche 7 Tage kostet pro Person 1.900 THB (45 Euro). Wenn man ein ganz normales Touristenvisum in einer thailändischen Botschaft im Ausland vor der Einreise beantragt, bekommt man für diesen Preis 60 Tage. Aber wir haben keine Wahl, bezahlen das Geld und setzen uns wieder. Denn der Stempel im Pass benötigt eine weitere Stunde.

Auch mein Fieber erklärt sich während der Stunden in der Behörde wie von selbst, denn das scharfe Thai-Mittagessen ein paar Stunden vorher ist mir nicht gut bekommen. Endlich habe ich den Grund für sein Fieber und mich selten so über Magen-Darm-Probleme gefreut wie an diesem Tag. Mehr Details möchte ich euch gerne ersparen. ;-) Mit den passenden Medikamenten aus der Apotheke für 100 THB (2,40 Euro) können wir die Infektion schnell bekämpfen, 2 Tage später bin ich wieder fit und kann unter anderem diesen Artikel schreiben.

Wir beschließen, bis zu Marsis Nachuntersuchung (eine Woche nach ihrer Augen-Laser-Operation) in Bangkok zu bleiben, es uns möglichst gemütlich zu machen und danach nach Malaysia weiterzufliegen. Damit betreten wir wieder unbekanntes Gebiet, denn wir fliegen in den Nordwesten Malaysias auf die Insel Penang, besuchen die Inselhauptstadt Georgetown und arbeiten uns langsam über die Cameron Highlands nach Osten zu den Perhentian Islands durch. Irgendwann im März wollen wir weiter nach Australien fliegen.

Was lernen wir aus diesen Geschichten? Zum einen, dass es für alles eine Lösung gibt. Und dass man Kliniken in Bangkok vertrauen und auch mal etwas Ungewöhnliches wagen kann. Zum anderen, und das haben wir schon mehrfach auf unserer Reise festgestellt, dass wir manchmal einfach unverschämtes Glück haben und wir diese Erfahrungen nie wieder vergessen werden!