2 Tage lang dauert die Fahrt von Peking nach Lhasa mit der Lhasa-Bahn (Qinghai-Train). Ein unvergessliches Abenteuer für uns.

Tag 1 • Kurz nach 10:00 Uhr

Hier sitzen wir also, im Zug T27 von Peking nach Lhasa. Es ist kurz nach 10:00 Uhr am ersten Morgen.

Nachdem wir am Vorabend pünktlich am Westbahnhof in Peking gewesen waren und gegen 21:00 Uhr unsere Betten im Zug bestiegen hatten, stellten wir zuallererst fest, dass die Abteile verdammt eng sind. In der Soft-Sleeper-Klasse gibt es kleine Abteile mit ca. 4 Quadratmetern, vielleicht 2,50 m hoch, 8 Abteile pro Waggon. Auf der rechten Seite in Fahrtrichtung ist ein schmaler Gang, links sind die Abteile. Man schläft quer zur Fahrtrichtung in stockbettartigen Klappbetten, 2 übereinander auf jeder Seite, dazwischen ein 40 cm breiter Gang. Die unteren Betten werden tagsüber als Sitze benutzt.

Eigentlich sind die Betten ganz bequem, sauberes Bettzeug wird gestellt, die Matratzen sind überraschend weich und mit 2 m Länge habe sogar ich einigermaßen viel Platz im unteren Bett.

Das Abteil teilten wir uns für die erste Nacht mit 2 Chinesen, die beide aber vor einer Stunde beim ersten Halt schon wieder ausgestiegen sind. Beide waren nicht sehr gesprächig, weder miteinander noch mit uns, wobei wir sie ohnehin nicht verstanden hätten und sie uns auch nicht. In Erwartung einer ruhigen Nacht stellte sich aber schnell heraus, dass beide ein ausgeprägtes Schnarchproblem hatten. Mit Ohrstöpseln war es irgendwann halbwegs erträglich. Viel geschlafen haben wir nicht, und jetzt sitzen wir alleine im Abteil und genießen es.

Tag 1 • 20:00 Uhr

Vor einer Stunde hatten wir einen Stopp in Xining. Ab hier geht die eigentliche Tibet-Bahn los, der Abschnitt, der erst 2006 fertiggestellt wurde. Landschaftlich hat sich bisher nicht viel getan, die Chinesen sind offensichtlich ganz große Bergbau-Fans. Ansonsten haben wir viele Hügel und kleinere Berge, endlose Felder und ab und an ein Dorf oder sogar eine Stadt gesehen.

Eine Zugbegleiterin kam vorbei und ließ uns ein Formular ausfüllen, in dem wir bestätigen, dass wir fit genug für Höhen über 3000 m sind und eventuelle Risiken selbst tragen.

Bis zuletzt hatten wir die Hoffnung, dass wir in der zweiten Nacht alleine in unserem Vierer-Abteil bleiben würden. In Xining sind aber wieder viele Reisende zugestiegen, hauptsächlich Touristen. Auch für uns waren welche dabei, ein Paar aus der Schweiz, beide Ende 60. Mit ihnen teilen wir uns nun das Abteil, bis wir in Lhasa ankommen. Es hätte uns schlimmer treffen können, immerhin spucken die Schweizer nicht.

Tag 2 • 4:30 Uhr

Es hätte uns doch nicht viel schlimmer treffen können. Zumindest, was die Nachtruhe betrifft. Die Schweizerin ist erkältet, was sich nachts in einem ununterbrochenen lauten Schnarchen äußert. An-der-Bettdecke-ziehen hilft da nur kurz, auch unsere Ohrstöpsel können kaum etwas ausrichten. Dabei hatte die Nacht so schön angefangen: Ab Xining (bereits auf über 2000 m gelegen) gewann der Zug stetig an Höhe, die Nacht war klar. Ich konnte von meinem unteren Bett aus die Sterne glitzern sehen und der Mond schien hell ins Abteil. Jetzt liegen wir da – ich unten, Marsi oben – und hoffen, dass der nächste Tag noch etwas ergibt, das die Strapazen mit unseren Mitreisenden wieder ausgleichen kann. Natürlich wissen wir, dass wir uns an solche Nächte gewöhnen müssen und dass es uns wahrscheinlich noch viel schlimmer ergehen wird in den kommenden Monaten, doch zwei Nächte in Folge mit kaum Schlaf sind keine schöne Erfahrung.

Tag 2 • 7:45 Uhr

Dieses Mal wurden wir von einem herrlichen Sonnenaufgang geweckt. Die Landschaft hat sich radikal verändert. Nach einem Frühstück mit Kaffee und Keksen sehen wir draußen weite Flächen, bedeckt von kahlen Büschen und Gras, ab und an Flüsschen oder kleine Seen, weit entfernt schneebedeckte Berge. Bäume gibt es hier nicht mehr, wir haben die 4000-Meter-Grenze längst überschritten. Die Luft im Zug wird mit Sauerstoff angereichert, auf Wunsch kann man am Kopfende seines Betts zusätzlich Sauerstoffdüsen aktivieren. Uns geht es prächtig. Was die Höhenkrankheit angeht, zeigen wir keine Symptome.

Tag 2 • 16:00 Uhr

Den Tag verbringen wir mit Aus-dem-Fenster-schauen, schlafen, fotografieren und unterhalten. An uns ziehen kleine Dörfer vorbei, Mobilfunkmasten sind regelmäßig mitten im Nirgendwo installiert, und immer wieder sehen wir Yaks, Pferde, Schafe und andere Tiere, die gemütlich in der Ferne grasen. Leider hält der Zug nicht lange genug an einer Station an, zu gerne hätten wir die kalte Luft geschnuppert und ein paar Fotos ohne die schmutzige Fensterscheibe geschossen. Irgendwann um die Mittagszeit müssen wir den höchsten Pass der Strecke überquert haben, von den knapp 5100 m bekommt man nicht viel mit, zumal die Ansagen im Zug leider fast ausschließlich auf Chinesisch sind.

Tag 2 • 18:30: Ankunft in Lhasa

Wir sind da, endlich! Auf dem Dach der Welt, mitten in Tibet! Pünktlich um 18:30 Uhr läuft unser Zug in Lhasa ein. Die restliche Zeit im Abteil verlief ruhig. Nach dem Packen unseres Gepäcks fragten wir uns, wie lange ein Putztrupp wohl braucht, um den kompletten Zug zu reinigen. Und die anderen Reisenden haben bestimmt mehr Chaos hinterlassen als wir.

Für die nächsten Tage wird Nima unser Guide sein, eine Tibeterin Ende 30, lustig und mit sehr gutem Englisch. Sie holt uns vom Bahnhof ab und bringt uns zum „Khandro Hotel“ mitten in Lhasa, direkt beim Jokhang-Tempel. Zur Begrüßung gibt es für uns beide eine Khata, einen weißen Schal, den hier die „normalen“ Menschen bekommen, er soll uns Glück bringen. Die gelben Schals wiederum sind Mönchen und höheren Lamas vorbehalten.

Fazit

Zwei aufregende Tage liegen hinter uns, zwischendurch zäh wie ein altes Rindersteak, spätestens nach dem Sonnenaufgang am zweiten Tag aber lohnenswert. Über 4.000 km legten wir im Zug zurück. Einen ersten Eindruck über Gemeinschaftsunterkünfte haben wir gewonnen, und wir wissen auch, dass wir über mehrere Tage dieselbe Kleidung tragen können. Uns geht es überraschend gut, trotz der Lage Lhasas auf knapp 3.700 m Höhe.

Wir bereuen die Entscheidung nicht, den Zug gewählt zu haben. Fliegen kann jeder, aber die zwei Tage im Zug haben uns ein ganz anderes Gefühl für das Hochgebirge des Himalaya gegeben, das wir während der nächsten 10 Tage bereisen wollen.

Fakten über den Qinghai-Train

Hier wollen wir noch die wichtigsten Informationen loswerden, falls der eine oder andere von euch plant, auch mit diesem Zug zu reisen.

  • Die eigentliche Strecke beginnt in Xining. Man kann auch ab Peking fahren.
  • Dauer ab Peking: 45 Stunden, Zugnummer T27, Abfahrt in Peking 21:30 Uhr, Ankunft in Lhasa ca. 18:30 Uhr am übernächsten Tag.
  • Bahnhof in Peking: Beijing West Railway Station.
  • Preis für ein Soft-Sleeper-Ticket: ca. 130 Euro. Da man in den seltensten Fällen die Tickets selbst organisieren wird, muss man mit einem Aufschlag für die Agentur rechnen, die die Tickets bucht.
  • Soft Sleeper: 4 Betten pro Abteil, 2 Stockbetten auf jeder Seite, dazwischen ein wenig Platz für die Füße beim Sitzen.
  • Gepäck kann in begrenztem Maß in kleinen Staufächern am Fußende des oberen Betts untergebracht werden. Auch unter dem unteren Bett ist Platz für Schuhe und kleinere Gepäckstücke.
  • Frisches Bettzeug wird gestellt: Decke, Kissen und ein Laken.
  • Es gibt zwei Toiletten pro Wagen: Eine mit Schüssel, die andere in Steh-Ausführung. Beide waren bereits kurze Zeit nach der Abfahrt dermaßen verdreckt, dass man sich schon fragen muss, ob man sein Vorhaben, wegen der Höhe extra viel zu trinken, nicht doch lieber wieder bleiben lässt. Manche Reisende haben offensichtlich Probleme, beim großen Geschäft überhaupt die ovale Öffnung der Klobrille zu treffen.
  • Es gibt 3 Waschbecken pro Wagen. Wenn man sich daran gewöhnt hat, dass die Chinesen diese in Ermangelung einer Straße als Spuckziel verwenden und man sich einfach nur die Hände wäscht und die Zähne putzt, geht das schon irgendwie.
  • Heißes Wasser gibt es in jedem Wagen zu jeder Zeit. Tipp von uns: Wer Tee, löslichen Kaffee und eine Tasse mitnimmt, hat schon gewonnen.
  • Es gibt einen Speisewagen, den wir aber nicht besucht haben.
  • Die Zugbegleiter laufen regelmäßig mit Getränken und kleinen Snacks durch die Wagen. Es gibt Wasser, die typischen chinesischen Eimer-Suppen und Süßigkeiten zu leicht höheren Preisen als in Peking.
  • Das Personal im Zug spricht kaum Englisch.
  • Die Strecke bis Xining ist ziemlich öde, danach wird es allerdings richtig spannend.
  • Der Zug hält nur sehr selten an, aussteigen ist quasi nicht möglich.
  • Die Raucher freut es, die anderen nicht: Am Wagenende trifft sich das Rauchervolk, der Dunst zieht aber dann auch durch die Wagen bis in die Abteile, was nicht sehr angenehm ist.
  • Hier noch ein Artikel über den Sinn oder Unsinn einer Anpassung an die Höhe in Lhasa, indem man den Zug dahin nimmt.