Es ist passiert. der tibetische Cousin von Montezuma rächt sich bitterlich. Dieses Mal ungewöhnlicherweise an Marsi, die sonst selten von solchen Problemen betroffen ist. Nicht überraschend auf einer solchen Reise, inzwischen ist Marsi auch schon wieder auf dem Weg der Besserung. Aber wir fangen mal ganz vorne an, es lohnt sich:

Kurz bevor der Wecker ohnehin um kurz nach 8 Uhr geklingelt hätte, geht Marsi auf die Toilette. Der Tag fängt gut an, es ist wohl das Essen von gestern, das einfach nicht normal verdaut werden will. Heftiger Durchfall hält sie länger auf der Toilette als sie eigentlich wollte. Details ersparen wir euch an dieser Stelle.

Obwohl ohne Brille unterwegs (und demnach fast blind), wundert sie sich aber doch über eine schnelle, huschende Bewegung am Boden. Und jetzt muss ich Marsi mal ganz viel loben: Jede(r) andere hätte jetzt einen grellen Schrei ausgestoßen, und wahrscheinlich nicht nur einen. Marsi hingegen ist tapfer, sie macht nur ein Geräusch ähnlich dem, wenn mal wieder kein warmes Wasser aus der Dusche kommt. Ich frage vom Zimmer aus, noch im Halbschlaf, was denn los ist und bekomme von der durch den Durchfall an die Toilette gefesselten Marsi eine erstaunlich ruhige Antwort: Eine Ratte ist im Bad! Und zwar nicht so ein zierliches Mäuschen mit kleinen Öhrchen und kugelrunden Äugchen, sondern eine stattliche tibetische Ratte mit über 30 cm Länge inkl. Schwanz, grau wie eben eine Ratte ist und verdammt flink unterwegs.

Da kann auch ich nicht länger liegenbleiben, Marsi kann trotz anderer dringender Verpflichtungen nicht ruhig sitzenbleiben, und wir treffen uns außerhalb der durch Marsi eilig wieder geschlossenen Badtür. Wir stellen uns folgende Fragen: Wie ist die Ratte hineingekommen? Wie lange ist sie schon hier? Wie werden wir sie wieder los? Wie hoch kann eine Ratte springen?

Die Antworten sind recht einfach: An der Decke hatte sich in der Nacht eine der quadratischen Platten gelöst, vermutlich war sie ohnehin schon locker und das Gewicht der Ratte auf ihr hat sie nach unten klappen lassen. Mit einem Plumps muss die Ratte auf den Boden gefallen sein. Marsi erinnert sich, dass sie bereits vor Stunden Geräusche gehört hatte, diese aber den Zimmernachbarn zugeschrieben hatte. Diese Nachbarn haben wir erst seit dem Vortag, und da unsere Bäder zumindest geräuschmäßig direkt miteinander verbunden sind, hatten wir die Badtür in dieser Nacht ausnahmsweise geschlossen. Zum Glück! Hätten wir dies nicht getan, wäre die Ratte ganz bestimmt nicht lange im Bad geblieben und hätte uns im Bett überrascht.

Jetzt wage auch ich einen Blick ins Bad, unter dem Waschbecken sitzt das Vieh und glotzt mich an. Ich leere den Mülleimer im Zimmer und bereite mich auf ein Experiment vor. Aber Ratten, die sich nicht nur auf dem Boden bewegen, lassen sich mit einem Mülleimer nun mal nicht so einfach einfangen. Jetzt wird professionelle Hilfe vom Personal benötigt. Schnell kommt ein Mitarbeiter, versucht es auch kurz mit dem Mülleimer, vergeblich. Er holt ein großes Handtuch. Wir hören lautes „Sch! Sch! Sch!“ aus dem Badezimmer, zwei Minuten später kommt er mit Handtuch und der darin eingewickelten Ratte wieder heraus.

Inzwischen ist es 8 Uhr. Zeit, den Schaden zu begutachten. Bei Ratten hört der Spaß auf, kurz schießen uns ein paar Krankheiten durch den Kopf, die sie übertragen können. Auf dem Badboden sehen wir allerlei nasse Stellen und kleine braune Stückchen. Beides war am Vorabend noch nicht da. Auch im Glas, in dem unsere Zahnbürsten stehen, finden wir solche Leckereien. Unser Kulturbeutel hing nach kurzer Berechnung wohl zu hoch für die Ratte.

Das Hotel ist zum Glück fast leer, sodass wir kurzerhand ein neues Zimmer bekommen, auf der anderen Seite des Gebäudes. Der Umzug dauert keine 10 Minuten. Wieder malen wir uns aus, was wohl passiert wäre, wenn die Tür zum Bad während der Nacht nicht geschlossen gewesen wäre.

Pünktlich schaffen wir es um 9:30 Uhr zur Lobby, wo wir uns erstmals mit der Gruppe treffen, mit der wir die nächsten 6 Tage zur nepalesischen Grenze unterwegs sein werden. Dass an diesem Tag fantastisches T-Shirt-Wetter mit über 20 Grad ist und was wir allein in Lhasa alles erleben, schreiben wir morgen in einem anderen, „normalen“ Artikel. Hoffentlich ohne Ratten oder andere Tiere.